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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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aus der Heimat?« , fragte der Reporter, während er unbeeindruckt schrieb.
    »Nun, mein Guter, wir haben vor zwei Stunden eine Funknachricht an die Admiralität in Wilhelmshaven geschickt und die Station betriebsbereit gemeldet. Ich erwarte noch heute Nachmittag eine Antwort. Und danach gibt’s ein Feuerwerk, das vor allem unsere samoanischen Freunde begeistern wird.«
    Ohrenbetäubende Böllerschüsse machten ein weiteres Gespräch unmöglich. Das gesamte deutsche Südseegeschwader, also die Schlachtschiffe »Scharnhorst« und »Gneisenau« sowie die Kreuzer »Dresden« und »Leipzig«, feuerte aus allen Rohren ins Türkis des Himmels.
    Das gewaltige Donnern ließ sogar noch auf Savaii das Wasser vibrieren, wie Tristan feststellte, als er in seinem Haus saß und gedankenverloren in ein halb gefülltes Glas Gin blickte. Er war nicht zur Einweihung der Funktelegrafenstation nach Apia gefahren, obwohl man ihn dort erwartete.
Stattdessen hoffte er, endlich mit Tuila sprechen zu können, die schon drei Tage nicht nach Hause gekommen war. Sie kam auch an diesem Tag nicht. Keiner kam. Ivana war in ihr altes fale zu ihrer Schwiegermutter gezogen, und von Tuila fehlte jede Spur. Vaonila verriet Tristan nur, dass sie irgendwo in die Berge gegangen war, um zu trauern und um über alles nachzudenken. Mehr sagte sie nicht zu ihm, und er nahm es ihr nicht übel. Er hatte ihren Sohn erschossen, das konnte eine Mutter nicht einfach vergessen, nicht so schnell jedenfalls, auch wenn sie begriff, warum es passiert war.
    »Ich bitte dich nur, es Tuila zu erklären«, sagte er.
    »Sie kennt deine Gründe«, antwortete sie kurz und wandte sich wieder irgendeiner Arbeit zu.
    Tagelang wartete er auf der Veranda des Palastes oder unten an der Bucht, und manchmal ging er zum Mafane hoch, in der vergeblichen Hoffnung, sie an ihrem gemeinsamen Lieblingsplatz zu finden. Auch am dritten August wartete er, mit einem Glas Gin in der Hand, mit trüben Augen und offenem Hemd. Er erschien nicht mehr zum Dienst, schützte eine Krankheit vor. Das Militär war sowieso für ihn gestorben, da er es abgelehnt hatte, die Ehe mit Tuila annullieren zu lassen. Der Brief, in dem er um seine Entlassung bat, lag schon unterschrieben im Haus. Was kümmerten ihn da noch die Einweihung eines Funktelegrafen und ein Schwatz mit Kolonisten!
    In Apia vermisste man ihn kaum. Rassnitz hatte dafür gesorgt, dass sich Tupus Aussage ihn betreffend in Windeseile verbreitete. Gerüchte machten die Runde, wuchsen um mehr und mehr Details an und wucherten schließlich ins Ungeheuerliche. Für die Deutschen war er ein Verräter, der den Überfall auf das Picknick mitorganisiert hatte, wie die Gouverneursgattin versicherte. Auch dies war ein Thema bei dem Fest am Hafen.

    Indes traf das ersehnte erste Funktelegramm ein. Die Menschen scharten sich um die Station, um die erwarteten Glückwünsche der Admiralität zu vernehmen. Endlich eine direkte Verbindung zur Heimat!
    Gouverneur Dr. Schultz und Oberst Rassnitz sowie der Kommandant des Südseegeschwaders standen lächelnd neben dem Funker, als dieser die übermittelte Botschaft notierte und dem Gouverneur übergab.
    Sie lautete: »Österreichischer Thronfolger vor vier Wochen von serbischem Attentäter ermordet. Stop. Bündnisfall eingetreten. Stop. Kriegserklärung an Russland am 1. August. Stop. Heute Morgen Kriegserklärung an Frankreich. Stop. Krieg gegen Großbritannien wahrscheinlich. Stop. Alle Schutzgebiete seit heute unter Kriegsrecht. Stop. Auf Verteidigung einstellen. Stop. Es lebe der Kaiser. Stop und Ende.«
     
    Ein ganzer Erdball lag zwischen Samoa und dem Geschehen in Europa, und dementsprechend reagierten die Menschen in der Kolonie völlig anders als die im Heimatland. Das Reich befand sich im Freudentaumel, Aufmärsche fanden statt, ja sogar Siegesfeiern, bevor der erste Schuss gefallen war. Gab es dort vorher in manchen Punkten politische Uneinigkeit, so standen die Untertanen plötzlich geschlossen hinter dem Kaiser.
    In Samoa trat das Gegenteil ein: Eine ängstliche Unruhe erfasste die Kolonisten, die sich noch einmal verstärkte, als am 4. August auch Großbritannien in den Krieg gegen das Reich eintrat. Australien und Neuseeland, die ihrem Mutterland beistanden, waren nicht allzu weit entfernt, und das imponierende deutsche Südseegeschwader, das zunächst noch vor Upolu vor Anker lag, hatte auch noch Neuguinea sowie die Marianen, Karolinen und Palau zu verteidigen und legte geschlossen ab. Nun war man

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