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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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nur noch ein einsames Pünktchen im Pazifik, beschützt von
vierzig samoanischen Polizisten und etwa genauso vielen deutschen Siedlern mit Gewehren. War man vorher ein verschworener Kreis von Kolonisten, so traten jetzt Meinungsverschiedenheiten zutage. Einige erlaubten sich, den Krieg abzulehnen, andere waren derart begeistert, dass sie darauf bestanden, mit dem nächsten Postschiff ins Reich zurückzukehren und an die Front zu gehen.
    »Die Front ist hier«, erklärte Rassnitz bei einer Besprechung mit dem Gouverneur. »Wir können keinen Schützen entbehren, kein einziges Gewehr.«
    »Ich kann die Leute nicht hier halten, wenn sie nicht bleiben wollen.«
    »Sie können. Samoa steht unter Kriegsrecht.«
    »Das ist ein Umstand, den ich lieber nicht betonen möchte. Kriegsrecht! Das klingt, als würde ich die Kolonie von nun an mit Gewalt regieren wollen. Hören Sie, Oberst, ich will nicht, dass sich bei uns etwas ändert. Ich will Ruhe und Frieden.«
    »Im Krieg gibt es keine Ruhe. Warten Sie nur, bis das erste feindliche Kriegsschiff vor Apia auftaucht, dann werden sich alle hinter uns scharen und wir werden kämpfen wie Helden.«
    »Zu welchem Zweck, Oberst, sagen Sie mir das?«
    »Um die Kolonie zu halten, selbstverständlich. Halten, bis das Südseegeschwader uns zu Hilfe eilt und den Feind versenkt.«
    »Sie schlagen also vor, dass wir uns eingraben?«
    »Genau das. Im Ernstfall werden wir uns ein Stück ins Inselinnere von Upolu zurückziehen, wo wir uns in vorbereiteten Gräben verschanzen. Sobald die Feinde gelandet sind und sich in Sicherheit wiegen, werden wir zuschlagen.«
    »Und Savaii?«
    »Dasselbe. Leutnant von Arnsberg muss die Insel halten.«

    »Arnsberg ist so gut wie verabschiedet, Oberst. Er erscheint ja nicht mal mehr zum Dienst, wie Sie mir selbst berichtet haben.«
    »Ich kann mir meine Leutnants im Moment leider nicht aussuchen, Exzellenz. Einem Samoaner das Kommando zu geben, das kommt nicht in Frage, ebenso wenig wie irgendeinem deutschen Kokosbauern, der noch grün hinter den Ohren ist. Besser Arnsberg als keiner. Da kann er mal zeigen, was in ihm steckt.«
    »Warum sollte er das tun, so übel, wie Sie ihm mitgespielt haben? Gegen meine ausdrückliche Order, übrigens. Sie hatten lediglich den Auftrag, die Erfüllung der Bedingung zu überwachen, die ich ihm gestellt hatte.«
    »Bei allem Respekt: Das ist wohl kaum der rechte Zeitpunkt, um über solchen Firlefanz zu diskutieren, Exzellenz. Sehen Sie es doch mal so: Arnsberg bekommt jetzt eine hervorragende Gelegenheit, die Sympathie und Achtung zurückzugewinnen, die er bei uns verloren hat. Wenn er sich wacker schlägt, wird alle Schmach getilgt sein.«
     
    Tuila hatte fast eine ganze Woche lang in den Wäldern rund um den Toiawea gelebt. Das Gefühl der Einsamkeit war tief und erfrischend gewesen. Nur umgeben von den Stämmen der Riesenfeigen, den schwarzen, durch das Gebüsch fliehenden Schweinen und von den Liedern unsichtbarer Sänger inmitten des exotischen Blätterdachs ließ es sich besser nachdenken als irgendwo sonst. Am Tag suchte sie nach Früchten und Wurzeln, nachts schlief sie, ein wenig geplagt von Mücken, auf einem Bett aus Bananenblättern.
    Wo auch immer sie hinging, begegnete ihr der rote Käfer; nicht einer, sondern Hunderte davon. Er, der ihr früher nicht aufgefallen war, krabbelte über ihr Blätterbett, über das Obst, das sie pflücken, und die Wege, die sie beschreiten
wollte. Er sonnte sich auf Steinen, schwirrte über die Bäche oder tauchte plötzlich aus der Sonne auf. Tupu war allgegenwärtig. Es war, als wolle er sie nicht loslassen, als verfüge er noch immer über die Macht, sie zu beeinflussen.
    Aber nicht nur er. Das Gerücht, dass sie mit Tristan verheiratet war, hatte sich über die ganze Insel verbreitet, und aus diesem Samenkorn der Wahrheit zog Tupus Witwe Ivana nun eine regelrechte Schlingpflanze der Lüge und Selbsttäuschung: Der Missionar habe die Eheschließung publik machen wollen, und Tupu habe nichts anderes gewollt, als dem alten Mann den Mund zu stopfen, bevor Tristan und Tuila in eine schwierige Lage gekommen wären. Und so sei es ihm gedankt worden, mit vier Kugeln in der Brust.
    Erst diese absurde Geschichte öffnete Tuila die Augen. Sie kannte Tristan, und sie kannte Tupu. Wenn sie sich zu entscheiden hatte, wer von beiden der Niederträchtige war und wer der Ehrenhafte, musste sie nicht lange überlegen, denn nur, wenn man Tupu als Widerstandskämpfer und heimlichen Erpresser

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