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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Tristans sah, ergab alles einen Sinn. Nach und nach, auch ohne die Erläuterungen ihres Mannes, verstand sie, wie sich die Dinge zusammenfügten.
    Eines Abends ging sie wieder nach Palauli. Ihre Mutter und Ivana saßen schweigend im fale und aßen ein gegrilltes Täubchen, das ihnen jemand aus dem Dorf vorbeigebracht hatte. Moana wurde mit Bananenbrei gefüttert. Tuila setzte sich ihnen gegenüber, und die beiden sahen sie an.
    »Wirst du wieder hier wohnen?«, fragte Vaonila.
    »Nein, im Palast.«
    »Du gehst also zu ihm zurück«, sagte Ivana mit schmalen Lippen. »Nach allem, was er uns angetan hat.«
    »Ja«, sagte Tuila. »Er hat uns wirklich Schlimmes angetan.
Er hat dich und Moana unter Einsatz seines eigenen Lebens gerettet. Er hat versucht, unseren Vater zu retten. Er hat ein Haus gebaut, das er euch geöffnet hat, und er hat solange zu Tupu gehalten, bis es ihn an den Rand des Verrats gegen die Deutschen brachte. Er hat mich zur Frau genommen, obwohl er wusste, wie gefährlich das war.«
    »Er hat Tupu erschossen!«, schrie Ivana. »Meinen Mann!«
    Tuila ignorierte Ivana und sah ihre Mutter an. »Tupu war ein Mörder, du weißt es. Ohne Rücksicht auf uns, speziell auf mich, hat er Tristan benutzt. Wären wir ein unabhängiges Volk ohne die Gesetze der Deutschen, würde man Tupu an einen Pfahl gebunden haben und hätte ihn verdursten lassen. Tun wir doch nicht so, als sei mein Bruder  – dein Sohn – gestorben, weil er ein Krieger war, denn so ist es nicht. Wir wollen es nicht gerne wahrhaben, aber er ist gestorben, weil er ein Feigling war, ein grausamer Feigling.«
    Sie streckte die geschlossene Faust nach vorn und öffnete sie. Ein kleiner roter Käfer krabbelte orientierungslos auf der Handfläche herum. »Denkt ihr, was ihr wollt. Aber für mich ist Tupu, der Tupu des letzten Jahres, erledigt.«
    Und dann erschlug sie den Käfer.
     
    In der Polizeistation brannte nur eine einzige Lampe, deren schummriges Licht sich in der Flasche mit dem glasklaren Inhalt brach. An der Wand lehnte ein Gewehr und verbreitete einen dumpfen, öligen Geruch, wie zur Erinnerung, dass es einsatzbereit war. Tristan schenkte sich ein Glas Gin randvoll ein, bevor er zum Fenster ging und in die schwarze Nacht starrte.
    Der Krieg hatte ihn wieder an seine Arbeit getrieben. Nachdem der Gouverneur ihm brieflich die schwierige Lage mitgeteilt und gesagt hatte, dass man ihn jetzt brauche, hatte Tristan sich nicht verweigern können. Er dachte
an seine Eltern, die nicht weit entfernt von der Grenze zu Frankreich lebten, und an die jungen Gutsbauern, die in diesen Tagen uniformiert ins Feld rücken würden. Wie alle anderen würde er seine Pflicht tun, wenn das Land ihn brauchte, selbst hier, selbst im Paradies. Keinen Moment hatte er nach dem Brief des Gouverneurs gezögert, hatte seine Uniform gesäubert und glatt gestrichen, hatte Hemden für eine Woche eingepackt und alles andere, das er brauchte, um eine Weile in der Polizeistation Quartier zu beziehen. Den Gin brauchte er für die Abende. Am Tag war er ausreichend abgelenkt mit der Befestigung der Station, der Aufsicht über die Arbeiten an den Gräben am Waldrand, dem Kontakt zu den Siedlern und mit den übrigen tausend Dingen, die einem möglichen Kampf vorausgingen. Aber die Nächte waren furchtbar, so oder so, mit oder ohne Gin, aber mit Gin waren sie wenigstens nicht so lang. Nach Tupus Hinrichtung hatte er mit dem Trinken angefangen, weil er noch nie zuvor einen Menschen erschossen hatte, und in den Tagen darauf hatte er weitergetrunken, weil er fürchtete, dass Tuila ihn verlassen könnte. Doch dann – seltsam –, gestern in der Nacht, hatte er plötzlich gespürt, dass sie ihn verstehen würde. Es war beinahe so, als wäre sie bei ihm und spräche mit ihm, und obwohl sie nicht bei ihm war, kam es ihm vor, als seien sie sich noch nie so nahe gewesen. Er wusste, sie würde ihn nicht verlassen. Er wusste, sie berührte ihn.
    Als am anderen Ende der Stube die Tür leise knarrend aufging, spürte er, ohne sich umzudrehen, dass sie es war, die hereinkam. Er hörte ihren leichten, barfüßigen Schritt auf dem Stein, und als sie direkt hinter ihm stand, lächelte er in die Fensterscheibe, in der sich ihr hellbrauner Oberkörper, zur Hälfte von der Lampe zart beschienen, spiegelte.
    »Du trinkst viel«, flüsterte sie. »Meinetwegen?«

    Er verneinte. »Nur noch wegen des Krieges. Er kann alles verändern.«
    »Magst du mich nicht ansehen?«
    »Ich sehe dich, Vögelchen.

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