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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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In der Scheibe.« Trotzdem drehte er sich um. »Ich möchte dich küssen.«
    Sie blinzelte ihn an und lächelte wie Mona Lisa. »Ich bin deine Frau. Küss mich.«
    »Und Tupu?«
    »Tupu ist tot. Hör mir gut zu! Er ist tot ! Alles an ihm ist tot. Ich lasse nicht länger zu, dass er unser Leben bestimmt. Du hast ihn erschossen, und ich habe ihn erschlagen.«
    »Erschlagen?«
    »Frag nicht länger. Ich bin hier, weil sein Körper und sein Wille keine Macht mehr haben. Ich bin zu dir gekommen, um dir das alles zu sagen und dann nie wieder darüber zu sprechen.«
    Er stellte sein Glas ab und zog, ohne sie aus den Augen zu lassen, seine Uniform aus, bis er fast nackt vor ihr stand. Seine Hände strichen über ihre Schultern, und ihre Hände lagen auf seiner Brust.
    »Weißt du noch«, flüsterte er, »damals in der Obstpflanzung?«
    Sie lachte kurz. »Ja.«
    »Dort lagen wir zum ersten Mal beisammen.«
    »Und ich habe mich über deine Brusthaare lustig gemacht. Weil ich Brusthaare nicht kannte.«
    »Sie kitzelten dich.«
    »Sie kitzelten mich. Sie haben mich verrückt gemacht – in mehr als einer Hinsicht.«
    »Wie? Du hast dich zuerst in meine Brusthaare verliebt?«
    »Zuerst in die Brusthaare.«
    »Und dann in den ganzen Rest?«
    »Und dann in den ganzen Rest, vom Scheitel zur Sohle.
Nichts ist seither anders an dieser Liebe geworden, nichts ist weniger geworden. Mir ist jetzt klar, dass unsere Herzen nicht zwei sind, sie sind eins.«
    »Das ist auch mir klar geworden, Tuila. Gestern.«
    »Ja, gestern. So war es bei mir auch. Irgendetwas war gestern bei uns.«
    Sie drückte ihr Ohr auf sein Herz, und so gingen sie hinaus ins Dunkel, Mann und Frau, hinunter zum Steg. Sie fürchteten nicht, dass einer sie sehen könnte, und selbst wenn, so wäre es ihnen egal gewesen. Tuila fühlte seine Stärke, und er die ihre.
    »Du sollst wissen, dass ich kämpfen werde, wenn es sein muss.«
    »Du meinst diesen Krieg? Er ist nicht hier.«
    »Heute nicht, nein.«
    »Du willst für deinen Vater kämpfen.«
    »Für mein Land.«
    »Und für deinen Vater.«
    »Für uns, Tuila. Für unsere Zukunft in Samoa. Für unser Kind, das hier aufwachsen soll. Niemand soll unserem Kind nachrufen, dass sein Vater ein Feigling und Verräter ist.«
    Tuila schwieg dazu, so als könne sie den Krieg durch Schweigen beenden.
    Am Ende des Stegs angekommen, legten sie sich auf die warmen Planken, schauten in den Nachthimmel und sahen, wie eine Wolkenwand einen Stern nach dem anderen verdunkelte. Beide hörten sie das schwere Geräusch des Ozeans, schmeckten den Wind und spürten durch die Finsternis hindurch die Welt, die sie umgab. Sie berührten und küssten sich. Tuila löste ihr Hüfttuch, und sie wickelten sich darin ein. Alles um sie herum schien ihnen unwichtig und klein, die Ewigkeit, das All, die Konflikte der Menschheit … Sie verstanden für einige Stunden nicht
mehr, was an allem so bedeutend sein sollte, wo es doch diese Nacht gab. So lagen sie beieinander, umschlungen, ein Ganzes, zusammen mit dem Kind, das in Tuila heranwuchs.
     
    Im Morgengrauen zog warmer Dunst über das Wasser wie Nebelschwaden, vom Passat getrieben. Das Meer war still, und das Wasser gluckerte am Steg. In der Ferne bellte ein Hund.
    Tristan erwachte als Erster. Er spürte seine Knochen, denn ein Holzsteg war kein weiches Bett. Vorsichtig befreite er sich von dem Tuch, in das er noch immer mit Tuila eingewickelt war. Sie schlief noch. Er betrachtete ihre geschlossenen Lider und legte seine Hand auf ihren Unterleib. Ihm fiel ein, dass er noch nie mit seinem Kind gesprochen hatte, das holte er jetzt nach, nicht mit lauter Stimme, sondern stumm wie bei einem Gebet. Es waren sehr einfache Dinge, die er zu sagen hatte: einen guten Morgen wünschen, ein »Ich liebe dich«, ein »Ich freue mich schon auf dich« …
    Danach fühlte Tristan sich wach und munter. Vom Steg aus ließ er sich langsam in den Ozean gleiten, tauchte unter, wusch sich die Haare, tauchte wieder unter, und genoss die Erfrischung.
    Er schwamm einmal um den Steg herum bis zum Ufer und stapfte dort durch den Sand zur Station hinauf. Die ersten Männer seiner Fita-Fita würden bald kommen, und er wollte nicht nackt vor ihnen stehen, also zog er sich wenigstens eine Hose an und spannte sich die Hosenträger über die Schultern. Als er das Fenster öffnete, bemerkte er einen leicht verbrannten Geruch, den er den Feuern des erwachten Salelologa zuschrieb.
    Tuila rührte sich noch immer nicht unter ihrem Tuch.

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