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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Sich jetzt quasi selbst reden zu hören war eine ungewohnte und lehrreiche Erfahrung – und auch nicht frei von Komik.
    »Ich erinnere mich allerdings auch«, sagte Evelyn, »dass Sie Atonio gegenüber oft nachgegeben haben, zumindest so oft, dass er seine unternehmerische Chance bekam, ohne den wirtschaftlichen Fortbestand der Plantage zu gefährden. Für mich ein Zeichen, dass Sie selbst in seiner schlechten Zeit sehr wohl mit ihm fühlen konnten und dass Sie die Streitereien damals weit weniger forcierten, als Sie mich und sich selbst heute glauben machen wollen.«
    »Nach Anes Geburt wurde es zwischen uns erst so richtig schlimm«, wandte Ili ein. »Ich war hart zu ihm. Sehr hart.«
    »Nach Anes Geburt wurde auch Atonio erst so richtig schlimm. Was wäre die Alternative gewesen? Ihn die Plantage ruinieren zu lassen, nur weil er ein vom Leben gezeichneter, verbitterter Mann war? Das wäre nun wirklich falsches Mitleid gewesen, wenn Sie so weit gegangen wären.«
    Der letzte Satz schien Ili betroffen zu machen, warum, konnte Evelyn nicht verstehen. Daher wurde sie noch einmal deutlich.
    »Nein, Ili, ich kann Ihnen nicht die gleiche Schuld an diesem Krieg geben wie Ihrer Cousine. Sie haben fast immer aus Liebe, Zuneigung und gesundem Menschenverstand gehandelt – auch als Sie Tino das Geld für seine Abreise gaben, denn wie Sie selbst sagten, war das das Beste, was Moana passieren konnte. Moana hingegen handelte aus Eifersucht, Neid und verletztem Stolz.«
    Sie waren am kleinen hölzernen Friedhofstor angekommen, und Ili blieb stehen und sah Evelyn mit alten, zweifelnden
Augen an. »Sagen Sie mir ehrlich, Evelyn: Gibt es einen Unterschied zwischen den Untaten, die man aus Liebe begeht, und denen, die man aus Rache oder Hass begeht? Ist das Resultat nicht dasselbe? Richten wir, gleich, welche Gründe und Motive wir haben, nicht denselben Schaden an? Einer Ihrer Dichter, Goethe, hat den Satz geschrieben: ›Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.‹ Trifft nicht viel eher das Gegenteil zu? Sind es nicht allzu häufig die guten Absichten, die zu Katastrophen und Elend führen? Sehen wir das nicht jeden Tag, überall um uns herum?«
    Evelyn hielt Ilis Blick stand. Ihr war bewusst, dass es noch einen dunklen Punkt gab, nämlich Atonios Tod, über den Ili bis zum heutigen Tag geschwiegen hatte. Dieser Tag vor elf Jahren war das letzte Stück des Mosaiks vom Leben und Sterben im Papaya-Palast. War Ili eine Mörderin, so wie es Moana behauptet hatte? Oder hatte sie unwissentlich einen Unfall verschuldet? Möglicherweise hatte eine unglückliche Verkettung von Umständen zu Atonios Flammentod geführt, und Ili war eines der Glieder, was sie sich bis heute nicht verzieh.
    Obwohl Evelyn so wenig über die Vorkommnisse wusste und so viel darüber wissen wollte wie Leutnant Malu oder die anderen Insulaner, waren ihr die Gerüchte und Indizien im Grunde egal. Vielleicht hatte sie zwischendurch kurz an Ilis Unschuld gezweifelt, und vielleicht zweifelte sie auch heute noch, aber sie vertraute Ili wie kaum einem anderen Menschen.
    »Ich weiß es nicht«, räumte Evelyn ein. »Aber ich halte Sie für eine liebenswerte Frau mit einem bemerkenswerten Lebensweg. Mehr kann man doch von sich selbst nicht verlangen, oder?«
    Ili sagte nichts dazu. Stumm und gebeugt ging sie an Evelyn vorbei durch das knarrende Tor.

    Wer weiß, dachte Evelyn mit einem Blick zurück auf Moanas Grab, was morgen ist? Wer weiß, wie viele Gelegenheiten ich noch haben werde, Ili das zu sagen, was ich ihr die ganze Zeit schon sagen wollte?
    Evelyn berührte Ili an der Schulter. »Ich bin froh, Ihnen begegnet zu sein.«
    Und gedanklich fügte sie hinzu: Selbst wenn Sie Atonio auf dem Gewissen haben.

12
    Evelyn ging mit Carsten zum Mount Mafane. Die Luft war schwül und schwer vom letzten Regenguss, Sonnenstrahlen trockneten die Tropfen auf den Blättern. Eine seltsame Stille lag über den Hängen; die Natur hielt während der Hitze Mittagsschlaf. Lediglich die unermüdlichen Bienen summten zwischen den weit geöffneten Blüten der Oleander und Bougainvilleen umher.
    Es war nicht die beste Stunde, um auf Savaii einen Berg zu besteigen, und Evelyn keuchte. Solche Anstrengung war sie nicht mehr gewohnt. Früher hatte sie mit Carsten, einen riesigen Rucksack auf dem Rücken, die Provence, Burgund und das Loire-Tal durchwandert. In den letzten Jahren hingegen war sie untätig gewesen und lustlos, während Carsten

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