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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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»habe ich nicht gewusst, was ich tue. Es steckte keine Überlegung dahinter, kein Plan, und darum konnte Bianca mich auch nicht davon abbringen. Da ich selbst keine Argumente hatte, ließ ich mich auch nicht von ihren Argumenten zurückhalten. Irgendwo in einem Winkel meines Gehirns steckte vielleicht die Frage, wie ich etwas vergessen könnte, an das ich mich unbedingt erinnern will, und umgekehrt, wie ich etwas behalten kann, ohne dass es mich zerstört und ohne dass ich es vergessen muss, um mich zu retten. Aber in dem Moment, als ich mich ins Flugzeug setzte, war ich mir dieser Frage nicht bewusst, und ganz sicher hatte ich nicht die Absicht, ein anderer Mensch zu werden, nicht einmal, mich großartig zu verändern.«
    Sie holte tief Luft und ging langsam in die andere Richtung. »Etwas jedoch – nenne es Schicksal, Vorsehung, Gott, Zufall, Unterbewusstsein oder sonstwas – hat es anders gewollt. Ich bin hier auf Samoa in etwas hineingeraten, das mich mehr als eine Woche lang in Atem gehalten hat. Zuerst habe ich es gar nicht begriffen, aber nach und nach bin ich von dem Land und seinen Menschen eingehüllt
worden. Ili erzählte mir auf derselben Veranda, wo ihr deutscher Vater und ihre samoanische Mutter einst gesessen haben, deren Geschichte. Ane wollte mich für ihre Zwecke einspannen, es gab familiäre Auseinandersetzungen, Beschimpfungen, Verdächtigungen, den drohenden Verlust des herrlichen Landes, einen Brand und schließlich einen Todesfall. Ein tagelanges Rauf und Runter und Hin und Her. Und ich war mittendrin. Und letzte Nacht dachte ich plötzlich: Eigentlich, Evelyn, hast du dich nicht schlecht geschlagen. Ich meine, du hättest mich sehen sollen, wie ich hier ankam: angetrunken, blass, tollpatschig, ein Schatten der Frau, die ich vor vier Jahren gewesen war. Dann jedoch habe ich schlechte Botschaften überbracht, ein Feuer gelöscht und Ili nach besten Kräften geholfen, ihr Land zu behalten. Du hättest mich nicht wiedererkannt  – ich habe mich ja selbst nicht wiedererkannt. Ich hatte mir nicht vorgenommen, diese Dinge zu tun, aber in der jeweiligen Situation musste ich sie tun, und ich hatte überhaupt keine Zeit, mich nur noch mit mir zu beschäftigen. Nur einmal, Carsten, habe ich mich in den letzten Tagen wieder elend gefühlt, und das war nach unserem Gespräch in der Bar.«
    Er schluckte und senkte den Blick.
    Eine große Stille lag in der Luft, die Wolken hingen starr am Himmel. Es war, als hörten die Tiere und Bäume und selbst der Wind ihr zu.
    »Ich meine das nicht als Vorwurf, Carsten. Das Thema ist viel zu ernst, um Dreckklumpen daraus zu machen und sie auf den anderen zu schleudern. Wenn ich sage, dass ich das Ananas mit zwei Flaschen Champagner verließ und in die alten Depressionen zurückfiel, so ist das eine Feststellung, nicht mehr – und nicht weniger. Die Zeit mit Ili dagegen hat mir gut getan. Sie braucht einen Menschen, der ihr hilft, und ich brauche Ili.«

    Carsten schwankte zwischen Reue wegen des Auftritts im Ananas und Verärgerung wegen Evelyns letzter Bemerkung. Auch er wollte gebraucht werden.
    »Ist dir eigentlich schon einmal der Gedanke gekommen«, sagte er, »dass diese Ili ein Objekt der Fürsorge für dich geworden ist? Dass du nur jemanden brauchst, den du umsorgen kannst wie eine …« Carsten unterbrach sich.
    »Wie eine Mutter, sprich es ruhig aus. Ili als Ersatz für Julia, das meinst du doch, nicht wahr?«
    Er nickte halbherzig. Anders als früher allerdings, als er das Thema Julia stets geschickt umschiffte, sprach er es diesmal offen an.
    »Du magst diese Frau, gut, nichts dagegen. Du willst ihr über eine schwere Zeit helfen, auch gut. Aber du kannst nicht ewig hier bleiben. Und was passiert, wenn sie – was in ihrem Alter nicht ungewöhnlich ist – stirbt? Dann machst du dir wieder Vorwürfe, dann stehst du wieder vor dem Nichts, dann könnte dasselbe mit dir geschehen wie damals nach dem Tod unserer Tochter.«
    »Du bist besorgt, das weiß ich. Vielleicht hast du Recht. Ich will nicht behaupten, dass ich schon alles verstehe, was mit mir passiert, aber Tatsache bleibt, dass ich zum ersten Mal spüre, die schwierigste Zeit hinter mir zu haben, und dieses Gefühl ist überwältigend. Es geht aufwärts, Carsten, daran will ich fest glauben.«
    Sie blickte den Hang hinauf. »Hier habe ich etwas für dich«, sagte sie und zog ein dünnes Päckchen aus ihrer Hosentasche. »Es sind Briefe.«
    »An mich?«
    »An Julia.«
    Carsten erblasste. Er

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