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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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sich ergehen ließ. In der Herrenrunde ging es zwar lockerer zu, als wenn Damen dabei waren, jedoch nicht amüsanter. Die Luft war stickig von Tabak, Schnaps und Rum, und an die Stelle der vorherigen Gesprächsthemen traten nun die samoanischen Frauen, oder besser gesagt, die Brüste der samoanischen Frauen, die Lippen, Füße, Schamhaare, Hintern. Sie wurden gleichsam in ihre Einzelteile zerlegt und beurteilt wie auf einem Markt.
    Tristan fiel es schwer, seine Abneigung darüber nicht allzu deutlich zu zeigen. Er beteiligte sich nicht am Gespräch und blickte häufig aus dem Fenster in den Garten, wo der saftig grüne Rasen noch immer gesprenkelt war von den weiß gekleideten Damen. Deutlicher konnte er sich nicht distanzieren, durfte es nicht. Außer dem Gouverneur,
Dr. Schultz, war noch sein eigener Vorgesetzter Oberst Rassnitz anwesend, der militärische Kommandant Samoas, und vor allem Letzterer achtete stets genau auf das, was Tristan tat oder nicht tat. Rassnitz war ein Soldat von altem Schrot und Korn, der sich mühsam hochgedient hatte und nichts von adeligen jungen Leutnants mit Bildung hielt, was er zwar nicht aussprach, aber Tristan häufig genug spüren ließ. Glücklicherweise sah er ihn nicht oft. Rassnitz hatte seinen Sitz in Apia auf Upolu, während Tristan die Polizeitruppe auf Savaii kommandierte. Außer bei einem wöchentlichen Arbeitstreffen und festlichen Zusammenkünften so wie heute, konnten sie sich gegenseitig aus dem Weg gehen.
    »Meine Herren, ich muss doch bitten!«, rief Dr. Schultz nach einem weiteren Ausbruch allgemeinen Gelächters. »Wir müssen uns heute etwas zurückhalten, haben wir doch einen jungen Verlobten unter uns, einen, der noch frisch verliebt ist. Herr Leutnant von Arnsberg.«
    Tristan hörte seinen Namen und wandte sich wieder der Runde zu. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er sagte: »Hier liegt ein Missverständnis vor, Exzellenz. Ich bin nicht verlobt.«
    »Gewiss, gewiss«, sagte Dr. Schultz. »Aber doch so gut wie. Ihre Augen jedenfalls suchen unentwegt die Angebetete im Garten.«
    »Ich habe die Rosen bewundert, Exzellenz.«
    »Rosen!«, spie Rassnitz aus. »Leutnant von Arnsberg, finden Sie, dass ein Mann, ein Soldat noch dazu, Blumen bewundern sollte?«
    »Da bin ich sicher nicht der erste Mann, Herr Oberst.«
    »Da sind Sie vielleicht auch nicht der erste Mann, mit dem etwas nicht stimmt, Leutnant.«
    Tristan erhob sich ruckartig, doch bevor er etwas sagen konnte, beschwichtigte ihn Dr. Schultz eilig.

    »Mit unserem geschätzten Leutnant stimmt alles, Herr Oberst. Er hat eine samoanische Geliebte, drüben auf Savaii. Wussten Sie das nicht? Außerdem war das mit den Rosen doch nur eine höfliche Ausrede. Selbstverständlich gilt seine Bewunderung in erster Linie dem Fräulein Hanssen, nicht wahr, Leutnant?«
    »Soweit es mir zukommt«, antwortete Tristan ausweichend, woraufhin sich, zu seiner Erleichterung, die Runde wieder dem ursprünglichen Thema zuwandte und ihn vergaß.
    Als Dr. Schultz etwas später die Herrenrunde verabschiedete, bat er Tristan, noch einen Moment zu bleiben. Er hielt ihm eine Schachtel Zigarren hin, doch Tristan lehnte ab.
    »Tausend Dank, Exzellenz. Ich rauche nicht.«
    Der Gouverneur nickte. »Sie trinken auch nicht, das habe ich bemerkt.«
    »Keinen Rum. In diesem Klima wirkt jedes Glas wie drei, Exzellenz. Aber zu Hause habe ich gern Wein und von unserem guten Bier getrunken.«
    Dr. Schultz überlegte einen Moment, bot Tristan Platz an und ließ sich ächzend in einen Sessel fallen. Die Messingknöpfe an seiner weißen Anzugweste sahen aus, als ob sie jeden Moment abplatzen und quer durch den Raum schießen würden.
    »Mein lieber Arnsberg«, begann er und knipste an einer Zigarre herum. »Wir sind hier nicht zu Hause. Wir sind eine deutsche Kolonie am Ende der Welt, und wir haben gewisse Regeln, die sich von denen in der Heimat unterscheiden. Darüber sollten Sie sich im Klaren sein.«
    Tristan wusste noch nicht, worauf dieses Gespräch hinauslaufen sollte, und Dr. Schultz schien das zu bemerken. »Arnsberg, Sie passen sich nicht in die hiesige deutsche Gesellschaft ein, das ist der Punkt. Sie isolieren sich.«

    »Verzeihung, Exzellenz, aber was ich in meiner freien Zeit mache, das …«
    »Ach, kommen Sie mir doch nicht so«, unterbrach ihn Dr. Schultz und rückte energisch die Nickelbrille zurecht. »Die Kaufleute und Plantagenbesitzer auf Samoa trinken nun einmal gerne, rauchen und erzählen sich Witze. Wenn diese Leute das

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