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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Geschäfte weiterführt. Wenn es dann noch ein künftiger Graf ist, der an seine Tür klopft – er wäre begeistert. Nun ziehen Sie doch nicht so ein Gesicht, Arnsberg. Ich meinte ja nur, dass eine menage für Sie beide zum gegenseitigen Vorteil wäre. Natürlich ist Fräulein Hanssen auch ohne ihren Vater eine gute Partie. Sie ist anziehend, gut erzogen und gefällig, sie würde Ihrem Namen keine Schande machen. Sie sehen, Arnsberg, Sie haben die besten Möglichkeiten. Vertun Sie sie nicht.«
    Dr. Schultz zwinkerte Tristan in einer Weise zu, die freundschaftlich wirkte, doch gleich darauf blitzten die kleinen Augen hinter der Nickelbrille warnend auf. »Sie haben
mich verstanden? Dann möchte ich Sie jetzt nicht weiter aufhalten. Guten Tag, Leutnant von Arnsberg.«
     
    Tristan verließ die Residenz, die am Stadtrand von Apia lag, und ging auf der Küstenstraße Richtung Hafen. Gelegentlich blieb er stehen und blickte auf das Meer hinaus, dessen blaue, ebene Fläche von der Stahlsilhouette der »Scharnhorst« unterbrochen wurde. Dann wieder beobachtete er ein paar Seevögel, die mit ausgebreiteten Schwingen in der Luft standen, oder vertiefte sich in die winzigen Wellen, die kaum ein Geräusch hervorbrachten. Er versuchte, an nichts zu denken. Er wünschte sich, das Gespräch mit dem Gouverneur hätte nicht stattgefunden, dieser ganze Tag würde verschluckt werden, einschließlich Clara Hanssen. Sie hatte ihm nichts getan, und doch kam sie ihm wie eine Bedrohung vor, wie eine Waffe in der Hand von anderen. Ihre ellenlangen Handschuhe, der Sonnenschirm, den sie unentwegt auf- oder zuklappte, und die Art, wie sie den blauen Himmel wie einen Feind ansah  – das alles stieß ihn ab. Weder seine Vorgesetzten noch die versammelte Damenschaft von Samoa konnten ihn zwingen, näheren Umgang mit ihr zu haben, trotzdem war er mit ihr spazieren gegangen, weil man es von ihm verlangt hatte. Und er hatte nachgegeben, hatte sich einfangen lassen, weil die Etikette es so vorsah, weil er ein Deutscher war, ein von Arnsberg, und weil jede Faser an und in ihm im Laufe der achtundzwanzig Jahre seit seiner Geburt so erzogen worden war. Nicht Clara Hanssen musste er fürchten. Vor wem er in dieser Sache wirklich Angst hatte, das war er selbst.
    Als zweiter und jüngster Sohn des Grafen hatten ihm zunächst mehr Wege offen gestanden als seinem Bruder, dem bestimmt gewesen war, eines Tages Schloss Arnsberg zu übernehmen samt siebzig Hektar Land, sechzehn Pachthöfen,
einem Gestüt für Militärpferde und natürlich dem Grafentitel. Gemäß der Familientradition trat Siegfried, sein Bruder, in den Militärdienst ein, wo er als Offizier Karriere machen sollte, bis der Graf sterben würde. Siegfried ging als Leutnant zum Überseekorps, und nur drei Jahre später wurde er zum Hauptmann befördert. In Deutsch-Südwestafrika, wo er stationiert war, brach ein Aufstand des Volkes der Herero aus, bei dessen Bekämpfung sich Siegfried mehrmals hervortat. Mit gerade mal dreiunddreißig Jahren bekam er den zweithöchsten deutschen Orden für Tapferkeit verliehen, und der Name Arnsberg schimmerte einmal mehr im Glanz der Ehre.
    Für das, was Tristan tat, hatte sein Vater von jeher wenig Beachtung gezeigt. Den jüngeren Söhnen der Arnsbergs war immer schon aufgegeben, den ältesten Bruder zu unterstützen. Gewöhnlich machten sie Karriere in der Kirche, der Diplomatie oder dem höheren Beamtentum, immer mit dem Auftrag, das Ansehen, den Reichtum und den Einfluss des gräflichen Familienoberhauptes zu fördern. Doch Tristan interessierte sich für keinen dieser Bereiche. Er las viele Romane, versuchte sich im Schreiben, und er hatte sich schon immer gern unter freiem Himmel aufgehalten, liebte den Wechsel der Jahreszeiten, liebte es, die Dinge wachsen zu sehen und ihre Früchte zu ernten. Ein Winzer oder Obstbauer galt ihm insgeheim mehr als ein Soldat, und das in einer Schule, die nach einem Feldmarschall benannt war, und in einer Klasse, in der neun von elf Schüler angaben, in die Kaiserliche Armee eintreten zu wollen, und die anderen zwei, zur See zu fahren. Also log er – oder entzog sich solchen Fragen. Den meisten fiel das überhaupt nicht auf. Sein Vater interessierte sich zu dieser Zeit ohnehin kaum für ihn, und seine Mutter, die Lehrer und Freunde glaubten, er sei eben einfach ein bisschen stiller. Siegfried stand ihm noch am nächsten, aber
bei Arnsbergs sprach man nicht über Gefühle, nicht einmal unter Brüdern.
    Mit der Zeit

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