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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Kokosbauer einem jungen deutschen Offizier schon mitzuteilen, vor allem, wenn er dessen Sprache nicht verstand? Tuila fungierte für die wenigen Förmlichkeiten, die sie austauschten, als Übersetzerin – sie hatte Tristans Sprache schon vor einem Jahr von einer Freundin gelernt, die lange mit einem Deutschen zusammen war, als dessen Geliebte. Ihr Vater kümmerte sich nebenher um das Abendessen, ihre Mutter flocht Matten. Irgendwann nickte Tuila Tristan leicht zu, dann wusste er, dass es Zeit war, sich zu verabschieden. Sie begleitete ihn hinaus, und von da an gehörte der Abend ihnen. Niemand aus dem Haus fragte danach, wann sie zurückkam, ob sie zurückkam, was sie mit Tristan in den gemeinsamen Stunden
machte. Und niemand hatte sie je aufgefordert, Tristan zu verlassen. Bis eben.
    »Das hast du nicht zu bestimmen«, antwortete sie ihrem Bruder leicht verärgert. »Die Eltern haben nichts dagegen, dass wir zusammen sind.«
    »Er ist schlecht für dich.«
    »Schlecht für mich ist, was mich unglücklich macht. Und momentan machst du mich unglücklich. Warum fängst du gerade heute mit so etwas an?«
    »Seit heute bin ich ein Mann.«
    »Und das Erste, was du als Mann tust, ist, einen anderen Mann für etwas verantwortlich zu machen, wofür er nichts kann. Kein guter Anfang. Willst du nicht sein Freund werden?«
    »Er ist Deutscher.«
    »Bis gestern hat dich das nicht gestört.«
    »Du hast selbst gesehen, wie er dabeistand, als der Mann mit der Pickelhaube auf mich losgegangen ist.«
    »Er hat versucht zu helfen.«
    »Nicht aus vollem Herzen.«
    »Nein«, erwiderte sie. »Aber mit mehr Herz, als du dir selbst geholfen hast, du Mann , der du sein willst.«
    Tuila erschrak über den schmerzhaften Hieb, den sie Tupu gegeben hatte. Sie blieb stehen und blickte sich um, ob jemand sie gehört haben könnte. Doch sie waren allein. Der Weg, eine erdige Piste, auf der drei Leute nebeneinander gehen konnten, verlief auf dieser Strecke beinahe schnurgerade, beidseitig abgegrenzt von dichtem Wald. Nichts war zu hören als das Gewirr der Vogelstimmen, das hier zur Stille gehörte, und gelegentlich fuhr wie eine verebbende Welle ein Windstoß durch das Blattwerk der Bäume. Tuila bereute, was sie gesagt hatte, denn nun, wo die Worte ausgesprochen waren, bevölkerten sie, Kreaturen oder Geistern gleich, die Insel. Man konnte sie nicht umbringen
oder vergessen. Tupu würde Tuilas Worten, der Anklage, im Laufe seines Lebens immer wieder begegnen, ein endloses Echo auf ein einziges Versagen.
    Ja, sie bereute es, denn sie liebte Tupu zu sehr, um Gefallen daran zu finden, dass er litt, aber falsch war die Anklage dennoch nicht. Tupu fehlte es nicht an körperlicher Stärke, er hatte die schlanke und muskulöse Gestalt der meisten Männer seines Alters. Und er konnte auch mutig sein, waghalsige Pläne durchführen, Abenteuer bestehen, Verbotenes tun. Doch ihm fehlte die letzte Konsequenz: Er stand nicht zu seinen Überzeugungen und Taten. Wenn er als Kind zusammen mit Spielgefährten irgendeinen Streich gespielt hatte, leugnete er selbst dann noch seine Teilnahme, als alle anderen längst gestanden hatten. Und später kündigte er Vorhaben niemals an, sondern berichtete erst, nachdem er Erfolg beziehungsweise falls er Erfolg gehabt hatte. Es lag etwas Schwaches und Kleinherziges darin, sogar Hinterhältiges, denn Menschen, die zu ihren Misserfolgen standen, kamen bei Tupu meist schlecht weg. Tuila hatte ihn nie deswegen kritisiert, im Grunde hatte sie ihn überhaupt nie kritisiert, denn ihrer beider Alltag war derart voll von Vergnügung und Nähe gewesen, dass kein Platz war für Vorwürfe.
    Heute nun war er vielleicht zum ersten Mal bei einer Niederlage ertappt worden, und nicht nur das, Dutzende andere Männer hatten dabei zugesehen. Tuila konnte seine Wut darüber verstehen, weil ihm diese Niederlage von nun an wie ein Brandzeichen aufgedrückt und nur schwer zu tilgen war. Dass er wenig gegen die Attacke dieses deutschen Obersten hätte tun können, dass er selbst bei einem körperlichen Sieg am Ende verloren hätte, weil man ihn danach zweifellos verhaftet und für Jahre ins Gefängnis gesteckt hätte, und dass keiner der Anwesenden anders als er gehandelt hätte, nämlich eher passiv, spielte in den Augen
der Insulaner keine Rolle. Man hatte ihn am Boden gesehen, den Fuß eines anderen Mannes im Gesicht. Eine schlimmere Erniedrigung gab es nicht für einen Samoaner, gleichgültig ob Mann oder Frau, und viele würden künftig

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