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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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geht ja auch überhaupt nicht um andere. Es geht um Sie und mich.«
    »Ja, das ist wahr«, bestätigte sie, ohne ihn anzusehen. »Es geht um uns.«
    »Sehen Sie, Fräulein Hanssen, das ist der Punkt. Es gibt kein ›uns‹.«
    Eine Wolke schob sich vor die Sonne, und Clara Hanssen klappte sofort den Sonnenschirm zu. Hinterher schien sie seine Bemerkung vergessen zu haben, denn sie nahm einen Keks zwischen Daumen und Zeigefinger und knabberte ihn so zaghaft an wie eine Spitzmaus.
    »Sehen Sie das anders?«, wollte Tristan ungeduldig wissen.
    Gerade so, als hätte sie in eine Gänsekeule gebissen, kaute sie auf dem lächerlichen Kekskrümel herum, weshalb eine weitere Weile verging. Mit leicht gerunzelter Stirn, die ihre Anstrengung verriet, erwiderte sie endlich: »Zu dumm aber auch, dass Sie auf dieser Insel festsitzen, Herr Leutnant. Wären Sie auf Upolu, würde alles viel unkomplizierter sein.«
    »Was? Was würde unkomplizierter sein?«
    Erneut winkte sie lächelnd der Gouverneursgattin zu, während Tristan den Blick nicht von ihr wandte.
    »Was würde unkomplizierter sein?« , fragte er, jedes Wort betonend.
    »Nun ja, Sie könnten meine Eltern und mich in unserem Haus besuchen, zum Beispiel. Oder mich spazieren führen.«
    Tristan stutzte. Er hatte es stets für wahrscheinlicher gehalten, dass Clara Hanssen ebenso unfreiwillig wie er selbst in diese Sache hineingestoßen worden war.

    »Heißt das, Sie würden das wollen?«
    »Nun ja … gewiss.«
    »Sie bringen mir Gefühle entgegen?«
    Sie blickte schamhaft auf ihren Keksteller. »Aber das können Sie mich doch nicht so direkt fragen, Herr Leutnant.«
    »Doch, das kann ich.«
    »Sie bringen mich in Verlegenheit.«
    »Es tut mir Leid, aber das müssen Sie jetzt verkraften. Ich habe nie den Anschein erweckt, um Sie zu werben.«
    »Oh, Ihr Verhalten war hochanständig.«
    »Es war deswegen hochanständig, weil ich nie Gefahr lief, nicht hochanständig zu sein, Fräulein Hanssen. Ich habe nämlich nicht um Sie geworben.«
    Die Wolke gab die Sonne wieder frei, und Clara Hanssen versuchte, ihren Schirm aufzuklappen. Da sie damit einige Mühe hatte, bat sie Tristan um Hilfe. Er nahm ihr den Schirm ab und öffnete ihn mit einem festen, gereizten Ruck.
    »Wie reizend von Ihnen«, sagte sie und blickte ihn zum ersten Mal während des Gesprächs an. Ihre hellbraunen Rehaugen wirkten nie geheimnisvoll, und doch war es für Tristan schwierig, in ihnen zu lesen, vielleicht einfach, weil sie wenig auszudrücken hatten. Falls Clara Hanssen über Gefühle verfügte, die tiefer gingen als das Entzücken über ein leckeres Stück Gebäck oder den Ärger über eine zu intensive Sonne, waren diese unter einer dicken Schicht aus Interesselosigkeit, Haltung und Zurückhaltung verborgen, Eigenschaften, wie sie üblich und von vielen Männern gern gesehen waren bei Frauen ihres gesellschaftlichen Ranges.
    »Sie haben ja noch gar nichts gegessen«, stellte sie fest.
    »Ich habe keinen Appetit.«
    »Etwas von meinem Salat?«, fragte sie.
    Er ignorierte ihre Bemerkung, ohne die Miene zu verziehen.
»Ich möchte«, nahm er unbeirrt den Faden wieder auf, »dass Sie mit Frau Schultz sprechen. Die Angelegenheit sollte diskret behandelt …«
    Ein gellender Schrei unterbrach die Mittagsstille.
    Tristan fuhr hoch. Die Gouverneursgattin war aufgestanden und taumelte über die Grasbüschel, das weiße Kleid auf der Brust rot von Blut. Die anderen Frauen liefen durcheinander und schrien, wobei sie nur unverständliche, hysterische Laute ausstießen.
    Tristan rief nach seinem Polizisten: »Tamaseu, was ist da los?«
    Er erhielt keine Antwort.
    Tristan sah irgendetwas geräuschlos durch die Luft fliegen, das eine der Damen traf. Ihr Kleid färbte sich rot, sie fiel hin.
    Er zog seine Pistole und rannte quer über die Lichtung. Mitten im Lauf rief er weiter nach dem Polizisten der Fita-Fita, doch er war nicht zu sehen.
    Ein maskierter Samoaner tauchte hinter einem Baumstamm auf und warf etwas nach den flüchtenden Frauen. Tristan, noch ein gutes Stück entfernt, feuerte einen Warnschuss ab.
    Der Maskierte ließ sich nicht einschüchtern, rannte hinter einer der Frauen her. Sie stolperte und fiel hin. Er setzte sich auf sie und drückte ihr etwas in den Rücken, stand wieder auf und versuchte, in den Wald oberhalb der Lichtung zu entkommen.
    Tristan hielt aus vollem Lauf inne, feuerte scharf, verfehlte beim ersten Schuss sein Ziel, traf den Samoaner aber beim zweiten Mal offenbar in den Oberarm,

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