Der Duft der grünen Papaya
unerträglichen Spiel ein Ende machen. Noch heute.
Der Platz, den er den Damen für das Picknick ausgesucht hatte, gehörte zum schönsten Fleck an Savaiis Südküste, wie er fand. Von der leicht abfallenden Lichtung hatte man durch Palmen und Muskatbäume hindurch einen herrlichen Ausblick auf die Palauli Bay. Von dort wehte der kühlende Wind herauf und spielte mit den Gräsern, und gelegentlich leuchtete eine Orchidee wie ein weißer oder gelber Farbtupfer zwischen dem grünen Einerlei.
Die Damen jedoch hatten dafür keinen Sinn. Der Gouverneursgattin stachen die Gräser zu sehr durch die Decken in ihr Hinterteil, einer zweiten Dame kam die Atmosphäre irgendwie unheimlich vor, da sie nirgendwo mehr ein Haus sehe, eine dritte meinte, sie habe das Gefühl, beobachtet zu werden, und Clara Hanssen störte sich am Südwind, der es ihr erschwerte, den Sonnenschirm in der Hand zu halten.
»Vielleicht, Herr Leutnant, könnten Sie den Schirm für mich halten?«
»Aber nicht doch!«, rief die Gouverneursgattin, die, obwohl
sie auf einer anderen Decke saß, jedes Wort mitbekam. »Wie umständlich wäre das! Sie und der Leutnant gehen dort hinüber, wo der Wind nicht so stark bläst. Ja, nach dort hinten, ans Ende der Lichtung.«
Sie würde doch keine Ruhe geben, bevor er nicht das tat, was sie wollte, dachte Tristan. Vielleicht war es sogar besser so, denn an einem abgelegenen Platz konnte er endlich mit Clara Hanssen das klärende Gespräch führen, das längst überfällig war. Also packte er ihre Sachen zusammen und zog ans Ende der Lichtung um, gerade noch in Rufweite der anderen. Dort angekommen, breitete er erneut die Decke aus, während Clara die Schale mit dem Gurkensalat, ein paar Brote, Gebäck und eine Flasche Champagner auf einem kleinen Klapptisch anordnete. Wie sie in ihrem weißen Brokatkleid so auf der Wiese saß, mit steifem Rücken und bleichen Wangen, kam sie ihm vor wie eine Wasserlilie inmitten eines grünen Teiches, prächtig und inhaltslos.
Sie reichte ihm ein Glas. »Verdient haben Sie den Champagner nicht«, sagte sie. »Dieser Ort, den Sie ausgesucht haben, eignet sich nicht für ein Picknick.«
»So?«, entgegnete er trocken. »Mir gefällt er. Er hat alles, was ein Platz zum Verweilen haben muss: Stille, gute Luft und den Wechsel von Licht und Schatten.«
»Aber keine Noblesse. Hier ist es wild und ungepflegt.«
»So ist die Natur. Noblesse ist eine Erfindung des Menschen.«
Sein Satz schien sie geistig anzustrengen, denn sie runzelte die Stirn und rang einige Augenblicke lang um eine geeignete Antwort. »Nur gut«, sagte sie schließlich, »dass ich in Apia lebe, wo man hübsche Parks angelegt hat.«
Er nickte. »Es ist wirklich gut, dass Sie in Apia leben. Dort gehören Sie hin.«
Ein geschmeicheltes Lächeln glitt über ihre schmalen Lippen. Da sie ihr Glas hob, stieß er mit ihr an, woraufhin
vom anderen Ende der Lichtung ein flötendes »Juhu« von der Gouverneursgattin zu hören war. Clara Hanssen winkte ihr zu.
Tristan nippte nur an dem Champagner und stellte sein Glas ab. Es war Zeit, etwas gegen diese ärgerliche Farce zu tun.
»Mir ist nicht verborgen geblieben«, begann er, »wie sehr sich manche wünschen, dass wir Zeit miteinander verbringen.«
Sie schien hochkonzentriert, als sie für Tristan einige Zutaten auf einem Teller zusammenstellte, war dann aber doch noch in der Lage zu antworten.
»Diese Menschen, von denen Sie sprechen, meinen es nur gut.«
»Ich bin sicher, dass Frau Schultz keine schlechten Absichten verfolgt. Trotzdem hat sie nicht immer eine glückliche Hand.«
Clara platzierte sorgfältig drei Stücke Gebäck auf dem Teller. »Oder noch eins?«
»Wie bitte?«
»Das Gebäck. Möchten Sie noch ein viertes?«
»Ach so. Nein, danke.«
»Wirklich nicht?«
Er atmete tief ein. »Im Moment nicht. Danke.« Tristan nahm den Teller entgegen und stellte ihn sofort beiseite. »Frau Schultz hat die Angewohnheit, bestimmte Dinge ohne Rücksicht auf die Meinung der Beteiligten zu forcieren.«
Clara Hanssen benötigte bei der Auswahl der Kekse für ihren Teller außerordentlich viel Zeit. »Die Frau Gouverneur«, sagte sie langsam und gedehnt, »hat gewiss nicht die Absicht, irgendjemanden zu bedrängen.«
»Wenn das tatsächlich so ist, hat sie eine seltsame Art, uns nicht zu bedrängen.«
Da Clara noch immer mit der Auswahl ihres dritten Kekses beschäftigt war und er das Gefühl hatte, so nicht weiterzukommen, ergänzte er: »Wie dem auch sei, es
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