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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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den Yachthafen, zwei Tische von Evelyn entfernt, saßen Einheimische beim Kartenspiel, in den Mundwinkeln eine billige, bohnendürre Zigarre voll stinkendem Kraut und griffbereit neben sich Gläser mit Gin und Schalen voll erfrischender Kokosmilch. Obwohl oder weil sie nur Muscheln als Zahlungsmittel einsetzten, lachten und schimpften sie, je nachdem, wie ihr Spiel stand. Gelegentlich kam der Wirt herbeigeschlurft, breit und schwer wie Ben Opalani, aber mit einer dicken Knollennase, stellte sich neben die Männer an den Tisch und diskutierte mit ihnen über Dinge, die niemanden so richtig zu interessieren schienen, nicht einmal ihn selbst. Dann schlurfte er wieder hinein, wo er kaum etwas anderes tat, als ab und an die Lautstärke des Radios zu verändern, mal leiser und mal lauter, je nachdem, welche Musik es gerade ausspuckte.
    Evelyn saß einfach nur da und beobachtete die vorbeifahrenden Radfahrer, die plaudernden Menschen und das Glitzern der Lagune. Die Wärme, das Gelächter, die schaukelnden Yachten – sie nahm alles auf wie ein Fotoapparat. Diesen Augenblick wollte sie im Gedächtnis behalten, obwohl sie nicht wusste, warum. Vielleicht, weil sie anfing, die Dinge um sich herum wieder wahrzunehmen, vielleicht, weil ihr nicht mehr alles gleichgültig war. Noch waren diese Gefühle in ihr lau und unbestimmt. Sie traute ihnen nicht. Sie traute sich nicht, so wie jemand, der lange auf schwankendem Grund gelaufen war und sich nicht sofort an den festen Boden unter den Füßen gewöhnen kann.
    Trotzdem kamen ihr unwillkürlich die schönen Tage in den Sinn, die Tage vor dem Grau. Wie oft hatte sie mit Carsten in Cafés wie diesem gesessen und auf eine Küste
geblickt, die Sonnenbrillen vor den Augen und sich an den Händen berührend! Eine Unterhaltung, ein Lachen, ein vertrauter Blick über die Sonnenbrille hinweg. Sie hatten die gleichen Dinge geliebt: frische Pasta beim Italiener um die Ecke, Rucksacktouren durch Frankreich, Liebe im Freien, Romane von Dickens, gotische Kathedralen, Mousse au chocolat … Als sie kurz nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums heiraten wollten, hatten sie sich binnen zehn Minuten darauf geeinigt, wo, wann, wie und mit wem. In der Frage, wann Kinder möglich wären, stimmten sie überein, dass sie sich erst beruflich entwickeln wollten. Und als sie mit ihrer eigenen Unternehmensberatung und er in der Bank Erfolge feierten und nach einem Haus für sich suchten, fanden sie ihr gemeinsames Wunschobjekt schon nach kurzer Zeit. Selbst wenn sie stritten, wussten sie genau, was zu tun wäre, um sich wieder zu versöhnen. Sie verstanden sich beinahe wortlos. Sie wussten immer, was der andere brauchte.
    Seit vier Jahren wussten sie es nicht mehr. Genauer, seit vier Jahren und zwei Tagen .
    Jener erste November 2001 änderte alles. Es hätte der glücklichste Tag in ihrem gemeinsamen Leben werden sollen, der Anfang von etwas Wunderschönem. Carsten brachte sie am Morgen mit dem Wagen zum Krankenhaus; sie mussten lachen, weil der Gurt beinahe nicht mehr um ihren aufgeblähten Bauch passte. Immer wieder lächelten sie sich wortlos an, und ab und an streichelte Carsten ihre Wange. Er war von dem Tag an, da sie es ihm gesagt hatte, noch zärtlicher als zuvor. Sie waren sich immer schon nahe gewesen, doch die Zeit der Blumensträuße und anderen kleinen Überraschungen hatten sie nach beinahe zehn Jahren Ehe allmählich hinter sich gelassen. Zu aufreibend war der beruf liche Alltag: Sie reiste viel, er reiste viel. Manchmal hatte Evelyn sich wie in jenem Film gefühlt, in dem Doris
Day eine Arztfrau spielt, die zufällig für die Werbung entdeckt wird, woraufhin sie und ihr Mann sich nur noch die Klinke in die Hand geben. Evelyns ungeplante Schwangerschaft unterbrach diesen Zustand. Sie war zuerst skeptisch, weil ihre Unternehmensberatung florierte und die Aufträge immer interessanter wurden. Sie ließ sich jedoch schnell von Carstens bedingungsloser Freude anstecken, der im wahrsten Sinne des Wortes Purzelbäume schlug. Und bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass die beruflichen Schwierigkeiten, die sich aus der Schwanger- und später Mutterschaft ergeben könnten, gar nicht so gravierend waren. Sie machte Bianca, eine ihrer sieben Angestellten, zur gleichberechtigten Partnerin und wusste somit die Kontinuität der Firma gewahrt. Sie selbst könnte dann nach der Geburt des Kindes zunächst sporadisch und nach zwei, drei Jahren wieder regelmäßig ihrer Arbeit

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