Der Duft der grünen Papaya
schenkte zwei Gläser ein.
Er stieß mit ihr an. »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, auch wenn ich kaum damit gerechnet habe. Setzen wir uns?«
Da er sich setzte, musste sie sich ebenso setzen. Auf der eleganten, goldfarbenen Chaiselongue wirkte er irgendwie deplatziert – seine männliche Ausstrahlung schien nicht in
diesen vornehmen Raum zu passen. Ray Kettner wirkte überhaupt nicht wie ein Geschäftsmann im üblichen Sinn, wie zum Beispiel Carsten: Er trug weder Anzüge noch Sakkos, weder Poloshirts noch Bundfaltenhosen, und seinem etwas eckigen, markanten Gesicht fehlte jede Geschmeidigkeit. Im Grunde sah er aus wie ein besserer Holzfäller.
Bei diesem Gedanken musste sie grinsen.
»Was ist?«, fragte er und strahlte sie an. »Stimmt etwas nicht mit mir?«
»Nein. Nein, überhaupt nicht.« Sie lächelte. »Ich habe nur gerade gedacht, dass ich mir einen Hotelier anders vorgestellt habe, irgendwie – distinguierter.«
»Ich sehe nicht distinguiert aus?«
Sie lachte. »Nein, gar nicht, und das meine ich als Kompliment.«
Er schenkte ihr Sekt nach. »Und als Kompliment verstehe ich es auch. Sie haben Menschenkenntnis, wissen Sie das? Schütteln Sie nicht den Kopf, es ist so. Denn – Sie werden es nicht glauben – im Grunde bin ich kein Hotelier, sondern Holzhändler.«
»Da lag ich ja gar nicht so schlecht, als ich …« Sie biss sich auf die Zunge.
»Als Sie mich im Stillen wofür hielten?«, erriet er ihre Gedanken. »Für einen Holzfäller, ist es das, was Sie dachten? Was soll ich sagen: Sie haben richtig gedacht. Für Intelligenz und Menschenkenntnis brauchen Sie sich nicht zu schämen. Ja, mein Vater hatte eine Sägemühle.«
Hier brach er den kurzen Ausflug in seine Kindheit ab. »Aber das ist eine langweilige Geschichte. Jetzt baue ich ein Hotel.«
»Ihr erstes?«
Er trank sein Glas in einem Zug aus. »Mein erstes«, bestätigte er.
»Dann sind Sie wahrscheinlich noch nicht sehr erfahren
in diesem Geschäft. Das erklärt vielleicht, weshalb Sie den Valaisis das ganze Land abkaufen wollen, nicht nur einen Teil. Ich finde, das sollten Sie sich noch mal überlegen. Ili Valaisi liegt mir ein bisschen am Herzen. Sie sollte in ihrem Haus bleiben dürfen. Die Palauli Bay ist groß, Mr. Kettner.«
»Ray«, korrigierte er.
»Ray«, wiederholte sie. »Wenn Sie auf der anderen Seite der Bucht bauen, ist Ili sehr geholfen und Ihnen nicht geschadet. Was sagen Sie dazu?«
Er stand auf und ging barfuß zum Fenster. Vom Sofa aus beobachtete Evelyn durch sein eng anliegendes Hemd das Spiel seiner Rückenmuskeln. Er stemmte die Arme in die Hüften und wandte sich ihr wieder zu.
»Dass Sie eine verteufelt gute Rhetorikerin sind.«
»Ray …«
»Keine Schmeichelei, das meine ich ernst. Sie waren ehrlich zu mir, als Sie mir sagten, dass ich wie ein Holzfäller wirke. Jetzt will ich Ihnen ganz ehrlich sagen, wie Sie auf mich wirken.«
Er ging langsam auf sie zu und sank vor ihr in die Hocke. »Mutig«, sagte er und fixierte sie mit seinen kleinen, hellen Augen. »Wer Sie zur Freundin hat, kann sicher sein, dass Sie sich ins Zeug legen, dass Sie etwas für diese Freundschaft tun. Wie lange kennen Sie diese alte Frau? Drei, vier Tage? Und schon setzen Sie sich für sie ein. Allein in einem fremden Land gehen Sie zu einem Mann, den Sie noch weniger kennen, und sprechen mit ihm über seine Hotelpläne.«
»Sie vergessen, dass Sie es waren, der mich in die Sache hineingezogen hat. Ich versuche nur, Ili zu helfen.«
»Und mir.«
»Sie leckte mit der Zunge über die Lippen und lächelte. »Und Ihnen, ich gebe es zu.«
»Direktheit imponiert mir.«
»Ihre beiden Standpunkte – Ilis und Ihrer – sind nicht unvereinbar.«
»Gehen Sie mit mir aus?« Er erhob sich, ging langsam um sie herum und setzte sich wieder neben sie, näher als vorhin. Sie roch sein Rasierwasser, das den herben Typ, den er verkörperte, noch unterstrich.
»Ich denke über Ihren Vorschlag nach«, fuhr er fort, »wenn Sie über meinen Vorschlag nachdenken. Er lautet: Wir gehen essen, nur Sie und ich. Dort schaffen wir dann die alberne höfliche Distanz zwischen uns ab, und Sie erzählen mir von dem, was Sie bedrückt. Ihr Anfall neulich in der Lounge war kein Zufall, habe ich Recht? Sie sind eine schöne Frau, und es tut regelrecht weh zu sehen, dass Sie irgendeinen Kummer in sich hineinfressen. Ihr Mann ist entweder nicht willens oder nicht fähig, Ihnen zuzuhören. Also tue ich es.«
Ray strich ihr eine Strähne aus
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