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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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kommandierende deutsche Offizier auf Savaii sie, wenn nicht unterstützte, so doch stillschweigend deckte. Wenn er wegsah. Darauf spekulierte Tupu. Er hoffte insgeheim, dass Tristans Liebe so stark sein würde, dass er alle Gesetze vergaß, Tuila heimlich heiratete, und sich damit für alle Zeit an Tupu band, ja, sich ihm auslieferte. Doch zunächst lief es nicht nach Tupus Wünschen, denn es kam eine Figur ins Spiel, mit der er nicht gerechnet hatte und die seinen schönen Plan über den Haufen zu werfen drohte.«

     
    Samoa, April bis Juni 1914
     
    Die meiste Zeit des Jahres lag Apia in tiefem Schlummer. Für die Samoaner gab es dort kaum etwas zu tun, außer gelegentlich ein Schiff be- oder entladen, und auch die deutschen Siedler hatten nur selten Geschäfte in der kleinen Kolonialhauptstadt zu erledigen. Zwei Tabakläden, ein Schneider, ein paar Handwerker wie Schuhmacher und Werkzeugmacher sowie eine Hand voll Spezialgeschäfte für Waren aus der Heimat, das war die ganze Einkaufswelt Apias. Hinter einigen der prächtigen Kolonialfassaden verbargen sich die Kontore der Überseekaufleute, in denen der Export von Kopra und Kakao ins Deutsche Reich und nach Australien organisiert wurde, doch es war eine gemütliche, stille Arbeit, so dass sie kaum bemerkt wurde. Und dann gab es da noch das kleine Zeitungsbüro, das wöchentlich die »Samoanische Zeitung« herausbrachte, ein deutsches Blättchen mit allen Neuigkeiten aus Samoa. Für die Siedler war es oft für Monate die einzige Möglichkeit, etwas von dem Geschehen in der Kolonie zu erfahren, denn die meisten lebten nicht im Umkreis Apias, sondern in abgelegenen Regionen, wo der nächste deutsche Nachbar fünf oder zehn Kilometer entfernt wohnte. Man besuchte sich selten, denn die Arbeit war hart, das Klima machte den Menschen zu schaffen, und die Jahre in der Einsamkeit hatten sie eigensinnig gemacht.
    Viermal im Jahr jedoch ließen auch die Siedler alles stehen und liegen und machten sich auf den Weg nach Apia, immer dann, wenn der Dampfer der Kaiserlich-Deutschen Postagentur eintraf. Mit seinem unverwechselbar schrillen Signalhorn kündigte die »Förde« ihr Eintreffen an, und die Nachricht verbreitete sich in Windeseile über die Kolonie. Binnen Stunden füllten sich der Hafen und die ganze Stadt
mit Menschen. Die Kontoristen verließen ihre Büros, um wichtige Pakete oder Unterlagen abzuholen, auf die sie schon lange gewartet hatten, die Händler und Handwerker nahmen Lieferungen in Empfang, die Siedler erhofften sich Briefe ihrer Freunde und Verwandten aus der Heimat, die Fita-Fita und Oberst Rassnitz traten an, um die Einhaltung der strengen Quarantänevorschriften zu überwachen, der Gouverneur kam, um den Kapitän zu begrüßen, und die Damen kamen, um – nun, um sich einfach zu zeigen.
    Tristan hatte das Polizeiboot klarmachen lassen, sobald er die »Förde« am Horizont entdeckt hatte. Von seiner Polizeistation in Salelologa aus hatte er die weithin sichtbare Rauchsäule des Schornsteins bemerkt, und obwohl es mehrere Kilometer Distanz waren, war das ferne Tuten des Signalhorns über die glatte See bis zu ihm gedrungen.
    Als er mit dem Boot in den Hafen von Apia einfuhr, lag die »Förde« schon vor Anker, umrahmt von einem Dutzend bunt geschmückter paopao , den Kanus der Einheimischen, die wie Blüten auf dem Wasser trieben. Die Ankunft des Postdampfers war jedesmal ein Ereignis, aber erst die Samoaner machten es zum Fest. Sie winkten, lachten, trommelten und sangen. Von allen Seiten schossen Boote heran, gerudert von prächtigen braunen Gestalten, die sich ein freundschaftliches Wettrennen lieferten. Ein feines Lächeln glitt über Tristans Gesicht, als er mitten durch diese allgemeine Freude fuhr. Für Augenblicke steckte sie ihn an, ihn, der seit Wochen keine Freude mehr kannte. Er hatte sich in den letzten Wochen in seiner Polizeistation eingeigelt, war nur noch zu dringenden dienstlichen Terminen ausgeritten und hatte für die wöchentlichen Besprechungen mit Oberst Rassnitz Ausreden gefunden. Wegen des Pflichteifers, der ihm im Blut steckte, arbeitete er zwar, war dabei jedoch derart unkonzentriert, dass er kaum noch die Hälfte seines üblichen Pensums schaffte. Äußerlich war
ihm nicht anzumerken, dass er litt. Seine Uniform war tadellos gepflegt, er rasierte sich, erschien bei Sonnenaufgang in der Amtsstube und verließ sie erst lange nach Einbruch der Nacht. Aber die meiste Zeit saß er nur an seinem Schreibtisch, über irgendein

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