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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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der Stirn. »Einverstanden?«
    Evelyn hatte ihm die ganze Zeit über wie hypnotisiert zugehört. Wann hatte das letzte Mal jemand so mit ihr gesprochen? Hatte überhaupt schon einmal jemand so mit ihr gesprochen?
    »Einverstanden«, antwortete sie.
    »Wie wäre es mit heute Abend?«
    »Mein Einverständnis bezog sich darauf, darüber nachzudenken.«
    »Kommen Sie schon! Sie sind in Apia, ich bin in Apia, wozu morgen oder übermorgen den komplizierten Quatsch mit der Fähre auf uns nehmen? Ich lasse mir die ganze Sache mit dem Land noch mal durch den Kopf gehen, und Sie fürchten sich dafür nicht mehr vor einem Abendessen mit mir im Aggie Grey’s . Die machen hier ein prima Steak – traut man denen in dieser Ecke der Welt gar nicht zu.«

    »Was ist mit Ane?«, wollte Evelyn wissen.
    »Ane bekommt das, was sie sich von mir wünscht: Geld. Und wir bekommen das, was wir uns voneinander wünschen: einen schönen Abend.«
    Sie lächelte, weil er lächelte.
    »Ich glaube«, sagte er, »wir sind das Beste, was uns beiden heute passieren konnte.«
     
    Sie rief Bianca vom Pundt aus an, und diesmal erledigte sie ihre Pflicht mit Bravour. Die Begegnung mit Ray Kettner hatte sie zwar aufgewühlt, aber auf eine angenehme Weise. Ein wenig fühlte sie sich wie ein Teenager, der vom Klassenschwarm zum Abschlussball eingeladen worden war.
    »Ich habe einen Mann kennen gelernt«, war eines der ersten Dinge, die sie Bianca mitteilte.
    Ihre Freundin zeigte sich allerdings wenig begeistert. Nicht nur, dass es in Deutschland mitten in der Nacht war, Evelyn teilte ihr auch noch mit, dass sie von Samoa aus anrief und dabei war, ihr ganzes Leben über Bord zu werfen. »Du hast bereits einen Mann«, erwiderte Bianca nüchtern.
    »Ich sage ja lediglich …«
    »Evelyn, Schatz, ich halte das für keine gute Idee. Nicht zum jetzigen Zeitpunkt, so kurz nach …«
    »Gerade jetzt tut es mir gut, dass jemand mit mir redet, ich meine, jemand, der fast nichts von mir weiß. Nichts für ungut, Bianca, aber du kannst mich nur voreingenommen sehen, nach allem was passiert ist. Aber dieser Mann … Ray … Er sieht mich mit ganz anderen Augen. Er traut mir etwas zu.«
    Bianca ließ sich nicht begeistern. Sie mäkelte weiter an einem Mann herum, den sie nicht kannte, am Zeitpunkt des Kennenlernens, an Evelyns – wie sie sagte – unnatürlicher Euphorie und überhaupt an der ganzen Reise nach Samoa.

    »Sag mir wenigstens, wie ich dich erreichen kann. Auf deinem Handy tut sich nichts.«
    »Das ist mir abhanden gekommen. Ich bin also nicht zu erreichen. Der Papaya-Palast hat kein Telefon.«
    »Ein Hotel ohne Telefon?«
    »Es ist kein Hotel.«
    »Was ist dieser Palast denn sonst?«
    »Bianca«, seufzte Evelyn, »ich rufe dich in ein paar Tagen wieder an.«
     
    Als Ili zum Café Pundt kam, legte Evelyn gerade den Hörer auf die Gabel. Ihr Gespräch mit dem Notar hatte länger gedauert als erwartet. Die Antwort, die er ihr gegeben hatte, stand ihr offenbar ins Gesicht geschrieben, denn Evelyn begrüßte sie mit den Worten: »So schlimm?«
    Es war tatsächlich schlimm gewesen. Dafür, dass sie so lange in einem stickigen Warteraum gesessen hatte, war die Antwort des Notars ziemlich kurz ausgefallen. Er hatte »Nein« gesagt. Nein, juristisch konnte sie Moana nicht aufhalten. Das Problem bestand darin, dass das Land nie wirklich geteilt worden war, nicht mit Linealen, nicht mit Zäunen oder Gräben oder Wimpeln, nicht auf dem Papier und nicht auf dem Boden. Der Besitz als Ganzes gehörte Moana und ihr gemeinsam, er hatte sie beide ernährt, und wenn eine von ihnen das Land verkaufen wollte, hatte die andere zwar eine Option auf den Kauf, also ein Vorkaufs-, aber kein Einspruchsrecht.
    Ili hatte auf eine andere Information gehofft. Die samoanischen Traditionen kannten nämlich im Grunde keinen Privatbesitz, der gekauft oder veräußert werden konnte. Mehr als zweiundneunzig Prozent von ganz Samoa gehörten Familien, nicht einem Einzelnen. Die Familienoberhäupter, die matai , verwalteten den Besitz und durften nur mit Zustimmung der Familie eine Veränderung der Verhältnisse
vornehmen, was natürlich bedeutete, dass es so gut wie keine Veränderungen gab. Da man vom Land lebte und sich auch heute noch von ihm ernährte, war niemand daran interessiert, etwas davon herzugeben oder es schlecht zu behandeln. Das Land selbst war wie ein Familienmitglied. Diese Tatsachen hatten Ili hoffen lassen.
    Doch die Valaisis gehörten keinem Dorf- oder

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