Der Duft der grünen Papaya
hören Sie es, Herr Leutnant«, sagte Clara. »Ich habe der Frau Gouverneur mitgeteilt, dass Sie wünschen, die Angelegenheit diskret zu behandeln. Das haben Sie wortwörtlich zu mir gesagt: Diskret behandeln.«
»Oh, und ich habe von da an alles äußerst diskret behandelt«, ergänzte die Gouverneursgattin. »Weder mein Mann noch irgendwer sonst hat erfahren, wie ich mich als Mittlerin zwischen Ihnen beiden engagiert habe, nein, keiner hat von mir auch nur ein Wort über die geplante Verlobung gehört – außer der Graf und die Gräfin Arnsberg und Herr Hanssen freilich. Niemand kann sich also über mich beschweren.
Niemand. Und Sie glauben ja gar nicht, Herr Leutnant, wie erfreut Ihre Frau Mutter war, von mir zu hören. Sie antwortete zwar nur mit ein paar Zeilen, doch wie deutlich hört man das Mutterherz in diesen wenigen Worten überquellen, wie intensiv und von Freude erfüllt.«
Sie redete und redete, während Tristan schweigsam und mit einem Kloß im Hals das Telegramm an sich nahm und las:
Verehrte Frau Gouverneur Schultz – stop – Bin von Ihrer Nachricht tief bewegt – stop – Der Graf und ich freuen sich, Frl. Clara Hanssen als unsere Schwiegertochter auf Arnsberg willkommen zu heißen – stop – Besten Dank für Ihre Bemühungen – stop – Hochachtungsvoll Charlotte Gräfin Arnsberg – stop.
Ein zweites, nur für ihn bestimmtes Telegramm, hing an dem anderen:
Lieber Tristan – stop – Dein Vater und ich sind von Stolz und Glück erfüllt – stop – Von den Hanssens hört man nur Gutes – stop – Wir sind sicher, dass Du eine gute Wahl für Dein Leben getroffen hast – stop – Ausführlicher Brief an Dich und an Herrn Hanssen folgt – stop – Liebevoll Mama und Papa – stop.
Frau Schultz redete noch immer. Und Claras feines Lächeln wurde intensiver, während sie ihn unverwandt anblickte. Jede Scheu oder Verlegenheit war aus ihrem Gesicht verschwunden, sie wirkte plötzlich völlig anders auf ihn, schlau und listig. Und da verstand er, dass diese Damenclique einschließlich Clara die ganze Zeit ein feines Netz um ihn gesponnen hatte, in dem er sich nun verfing. Dumm war er gewesen und blind, brav hatte er mitgebaut an der Falle, die für ihn selbst gedacht war: Er hatte Clara für alle sichtbar am Arm spazieren geführt, hatte während des Picknicks vor sechs Zeuginnen abseits mit ihr allein gesessen, und alles Übrige hatte Frau Schultz besorgt, ein Wort hier, ein paar Andeutungen dort, so dass die ganze
Kolonie seit Monaten glaubte, zwischen Clara und ihm bahne sich eine Beziehung an. So erschien es allen ganz natürlich, dass sie sich verlobten. Clara Hanssen hatte ihn auf dem Picknick gewiss nicht missverstanden, und Gertrude Schultz handelte auch nicht im besten Glauben. Sie waren Verbündete bei dieser Jagd, der Jagd auf ihn, den künftigen Grafen Arnsberg, den Aristokraten von altem Blut, und nun, nachdem sie Tristans Eltern von einer Verlobung informiert hatten, die nie stattgefunden hatte, hatten sie beste Aussichten, ihr Opfer zu fangen.
Ja, Tristan war wütend. Man hatte ihn getäuscht und hintergangen, man hatte gelogen und betrogen, ein falsches Spiel gespielt und ihn zum Narren gemacht. Doch gleichzeitig fühlte er, wie seine Empörung dagegen schwächer wurde. Wie sollte er aus dieser Situation wieder unbeschadet herauskommen? Wer würde ihm glauben, wenn er Clara Hanssen und die Gouverneursgattin als Lügnerinnen und Intrigantinnen hinstellte? Alle würden in ihm einen ehrlosen Feigling sehen, der sein Wort nicht hielt, und Clara würde öffentlich Sturzbäche von Tränen vergießen und alle Kolonisten gegen ihn aufbringen. Man würde ihn versetzen, zweifellos, und obgleich eine gelöste Verlobung nicht in die Führungsakte eingetragen wurde, so würde der Tratsch darüber zäh und bitter wie Galle durch die deutschen Offiziersclubs in Europa, Afrika und Asien ziehen. Jeder seiner künftigen Vorgesetzten wüsste, was Tristan auf Samoa »verbrochen« hatte. Und seine Eltern? Welche Verachtung würde sein Vater ihm gegenüber zeigen, und wie viel Kummer müsste dann seine Mutter erleiden?
Vielleicht wäre er unter anderen Umständen bereit gewesen, das alles zu ertragen. Doch wofür? Tuila war verloren, sie kam nicht mehr zurück. Er würde nie wieder ihre Haut riechen, ihren Körper unter sich spüren, nie wieder in der Nacht Seite an Seite mit ihr durch den schwarzen
Pazifik schwimmen. Die Erinnerung an sie war zwar noch
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