Der Duft der grünen Papaya
führen? Wenn sie erst hier wohnen würden, mit Blick auf die Palmen, die grünen Berge, die schimmernde Lagune … Würde die Palauli Bay eine andere Frau aus ihr machen, so wie aus ihm hier ein anderer Mann geworden war? Konnten die Wärme, das Glitzern, der Wind und die Farben das aus ihr machen, was sie in der Villa Hanssen verlernt hatte zu sein: einen Mensch?
Das Haus, wie es nun vor ihm stand, von einer abstrakten Idee zur Realität geworden, verstärkte seine Gefühle, oder besser, ordnete sie, brachte Klarheit. Nirgends war der Mensch so privat wie in seinen vier Wänden, und die Träume, mit denen er das Haus füllte, sind die Träume, die auch sein Leben füllen sollten.
Doch das Leben war ein Irrgarten, ein Geflecht von Wegen, und Tristan war noch dabei, den Weg zu finden, der ihn zum Ziel bringen würde.
Am nächsten Tag besuchte ihn Clara Hanssen. Sie sah frisch und weiß aus wie eine Wasserlilie, ganz im Gegensatz zu Tristan, der gerade verschwitzt an der Veranda arbeitete.
»Du meine Güte, Tristan!«, rief sie. »Wie sehen Sie denn aus? Ganz verschmutzt. Wieso arbeiten Sie denn selbst an diesem – diesem Ding? Dafür gibt es doch Arbeiter. Solche wie die da oben auf dem Dach. Sie sind von denen ja kaum noch zu unterscheiden, Tristan.«
Sie schien über seinen Aufzug ein wenig empört. In ihren Augen hatte ein Bauherr sich darauf zu beschränken, auf einem Stuhl neben den Arbeitern zu sitzen, Tee zu trinken und gelegentlich einen Befehl zu geben. Aber Tristans halb offenes Hemd zusammen mit seinen zerwühlten Haaren und dem glänzenden Schweißfilm auf seinem Gesicht
versetzten Clara schnell in eine versöhnliche, milde Stimmung. Sie klappte ihren Sonnenschirm zusammen und kam ihm so nahe wie nie zuvor. Tristan konnte ihren Atem auf seinem Kinn spüren.
»Solche Arbeiten«, flüsterte sie und schlug kokett die Augen auf, »hat ein zukünftiger Graf und erfolgreicher Kaufmann doch nicht nötig. Andererseits – wenn niemand sonst Ihren Aufzug sieht, außer den Arbeitern, die sowieso nicht zählen, dann dürfen Sie auch in unserer Ehe gelegentlich solche Arbeiten verrichten. Irgendwie bekommen Sie eine besondere Ausstrahlung.«
Ihre Hand strich seinen Arm hinauf und über die Brust.
Tristan ließ sich ihre Berührungen gefallen.
Sie kicherte. »Nur gut, dass Frau Hufnagel in der Kutsche geblieben ist. Wenn sie uns so sehen könnte, so dicht beisammen. Die Kutsche konnte jedoch nicht auf dem schmalen Pfad fahren. Sie müssen jede Menge Bäume fällen lassen, Tristan, um den Weg zu verbreitern. Und wir brauchen Kies um das Haus herum. Und dann muss alles in Weiß gestrichen werden. Herrje, das sieht jetzt ja aus wie eine riesige Eingeborenenhütte. Wie eine Häuptlingsresidenz. Und der Mittelteil ist ganz unmöglich. Nun ja, vielleicht könnten wir an Regentagen dort den Tee nehmen. Aber Sie müssen zugeben, Tristan, der Mittelteil des Hauses ist nicht comme il faut .«
»Das ist mir, ehrlich gesagt, egal. Wem mein Heim nicht comme il faut genug ist, kann gerne wegbleiben. Und ich fälle auch keinen Baum und streue keinen Kies, und wen ich dabei ertappe, auch nur einen Zipfel des Hauses weiß zu streichen, schlage ich nieder. Ich kann diese Farbe nicht mehr ausstehen.«
»Seien Sie nicht unvernünftig, Tristan. Wie sollen unsere Gäste zum Haus gelangen, wenn sie nicht mit der Kutsche durchkommen?«
»Wozu hat Gott die Beine und die Pferde erschaffen?«
»Er hat aber auch die Axt erschaffen – wenn wir schon so gotteslästerlich daherreden. Jedenfalls ist dieser Weg nicht …«
»Nicht comme il faut , ich weiß, ich weiß.«
»Ich muss leider sagen, dass Sie sich nicht nett benehmen, Tristan. Ich dachte, Sie wollen mir mit diesem Wochenendhaus eine Freude machen, doch jetzt …«
»Moment«, unterbrach er sie. »Wochenendhaus? Wir werden hier die ganze Zeit über wohnen. Sehen Sie sich doch nur die Bucht an. Was könnte man sich Schöneres wünschen als diesen Ausblick jeden Tag zu haben, jeden Abend.«
»Sie machen sich einen Spaß mit mir, Tristan. Oh, das sollten Sie nicht. Selbstverständlich werden wir in Apia wohnen. Mein Vater hat bereits ein geeignetes Grundstück für uns gefunden, nicht weit von der Gouverneursresidenz. Natürlich dürfen wir die Villa nicht allzu prunkvoll gestalten, um den Gouverneur und seine Gattin nicht zu beleidigen. Es wäre doch arg vermessen, wenn wir die Residenz in den Schatten stellen würden.«
»Ein Haus in Apia interessiert mich
Weitere Kostenlose Bücher