Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
Vom Netzwerk:
Kind auf dem Arm. Am Wasser blieb sie stehen, und lief mehrmals auf und ab, scheinbar nach Muscheln oder Krebsen suchend.
    Tristan kam sie wie eine Einladung vor, mit ihr zu reden. Er ging zum Strand hinunter und sprach sie an. So früh am Morgen, die Sonne hob sich eben erst weißlich aus dem Meer, waren sie völlig ungestört.
    Er begrüßte sie nach samoanischem Brauch und stupste dann die Nase der kleinen Moana an. Sie sah zauberhaft aus. Der Flaum ihrer Haare war zu kleinen Zöpfen gedreht und mit Bast und bunten Pflanzenstängeln befestigt worden, so dass es schien, als wüchsen ihr kleine Blumen auf dem Kopf. Sie lächelte ihn zahnlos an, und er nahm ihre Hand und rieb sie sacht.
    »Was willst du?«, fragte Ivana kühl. »Tupu hat alles gesagt, was zu sagen war. Lass mich! Oder willst du mir Ärger machen? Willst du deine Macht gebrauchen und mich schikanieren?«
    Tristan schüttelte verständnislos den Kopf. Was hatte er Ivana nur getan, dass sie ihn so sehr ablehnte?
    »Ich möchte nur mit dir sprechen«, bat er.
    »Wenn es um Tuila geht, so ist alles gesagt. Ihr seid nichts füreinander. Du bist ein papalagi , und sie ist ein ahnungsloses Ding, das sich falschen Hoffnungen hingibt.«
    »Hat sie mich vermisst?«, wollte Tristan wissen.
    Ivanas Mundwinkel zuckten ebenso amüsiert wie verächtlich, so als habe sie diese Frage bereits erwartet. »Und wenn schon«, erwiderte sie. »Da gibt es jemanden im Dorf, der sich für sie interessiert. Tupu sagt, sie muss ihn bald heiraten, und dann werden sie es vielleicht ertränken.«

    Er runzelte die Stirn. »Es?«
    »Das Kind. Dein Kind.«
    Tristan erbleichte. »Sie – erwartet ein Kind?«
    Früher, in den ersten Wochen ihrer Beziehung, da hatte er manchmal daran gedacht, wie es wäre, mit ihr ein Kind zu haben. Sie hatten sich oft genug geliebt, in den duftenden Obsthainen oder oben in den Bergen, an den bewaldeten und bemoosten Hängen des Mafane, eingehüllt vom aufsteigenden Abenddunst. Ja, er hatte sich ein Kind von ihr gewünscht, ein Mädchen. Doch jetzt, wo sie getrennt waren, war ein Kind ein grausamer Scherz.
    »Es muss nach dem Sturm passiert sein«, erläuterte Ivana. »Kurz vor eurer Trennung.«
    Hier, dachte Tristan, es war genau hier entstanden, im Sand der Palauli Bay, als Tuila noch ihre Blüte hinter dem linken Ohr trug, als sie sich von ihm verabschiedete, ohne dass er es merkte, als er noch glaubte, sie werde Tupus Gebot missachten. Er hatte sie nicht gut gekannt – oder sich etwas vorgemacht. Sie war Samoanerin, sie wusste, wohin sie gehörte. Und brachte dafür Opfer.
    Und nun bekam sie sein Kind.
    Ivana konnte behaupten, was sie wollte, aber Tuila würde niemals ihr Kind ertränken, nicht einmal, wenn ihr künftiger Mann es befehlen sollte. Aber sie war in Gefahr. Tristan wusste von Fällen, wo von Weißen verlassene Frauen mit Kindern vor die Wahl gestellt wurden, ihre Bastarde zu ertränken oder von der Familie verstoßen zu werden. Nicht wenige konnten mit keiner dieser Alternativen leben und ertränkten sich zusammen mit ihren Sprösslingen.
    Er bekam Angst um sie, und seine Sehnsucht nach ihr, die er wochenlang mühsam verdrängt hatte, indem er sich mit dem Haus und dem Ärger wegen Claras Intrige ablenkte, brach wieder in sein Bewusstsein.

    »Ich will mit Tupu sprechen«, sagte Tristan. »Bitte richte ihm aus, er möge heute Abend Gast in meinem Haus sein.«
    Ivana nickte und ging befriedigt schmunzelnd fort.
     
    Tupu war, als er am Abend zur Palauli Bay kam, beeindruckt. Er hatte zwar von den Arbeitern gehört, dass es sich um ein faletele , ein großes Haus, handelte, dennoch hatte er sich keine richtige Vorstellung von den Ausmaßen gemacht. Bevor er mit Tristan hineinging, schritt er dessen Länge ab, und als er glaubte, sich verzählt zu haben, wiederholte er die Prozedur.
    »Bewundernswert«, hauchte er. Natürlich kannte er die prächtigen Häuser in Apia, wo der Gouverneur und die reichen Händler wohnten, doch die sahen anders aus, fremd und protzig und hässlich angemalt. Dieses fale war etwas Besonderes, ebenso schlicht wie königlich, und er konnte sich von seinem Anblick nicht losreißen.
    Doch Tristan drängte zu einem Gespräch, und Tupu folgte ihm in den rechten Teil des Gebäudes. Auch hier war Tupu überwältigt von dem, was er sah. Er war zum ersten Mal im Haus eines papalagi ; nur die winzige Kapelle am Rande von Palauli kannte er, und so waren ihm diese vielen aus Holz gezimmerten Gegenstände fremd. Er griff

Weitere Kostenlose Bücher