Der Duft der grünen Papaya
nach einer Uhr in der Form eines Berges. Sie war aus einem ihm unbekannten Material, und er fingerte an ihr herum wie ein Affe an einer Nuss.
»Ich möchte von dir wissen«, fragte Tristan leicht ungeduldig, »ob Tuila oder unserem Kind irgendein Schaden droht?«
Tupu stellte die Uhr beiseite. »Hast du mir nichts anzubieten?«
»Wie bitte?«
»Etwas zu trinken. Wir bieten unseren Gästen kava an. Bieten die papalagi ihren Gästen nichts an?«
Tristan atmete tief durch und biss die Zähne zusammen. Dann gab er sich einen Ruck. »Ich habe mich noch nicht um so etwas kümmern können«, sagte er knapp. »Du kannst Wasser haben.«
»Und was ist das?« Tupu ging auf einen Bartisch zu, auf dem eine einzelne Karaffe stand.
»Gin«, erklärte Tristan. »Das bist du nicht gewöhnt, das ist nichts für dich.«
Tupu grinste Tristan an. »Ich hätte gerne etwas davon.«
Tristan schenkte ihm widerstrebend ein Glas ein.
»Manuia« , rief Tupu, »oder wie ihr sagt: Prost.« Tupu trank das Glas in einem Schluck leer. Er hustete zweimal, dann ächzte er wohlig. »Gin, ah. Die Engländer trinken Gin, nicht? Sie waren hier, bevor ihr gekommen seid, und vor den Engländern waren die Amerikaner da und vor denen die Holländer. Ich frage mich manchmal, wer nach euch kommt, nach den Deutschen?«
Tristan straffte sich und atmete erneut tief durch. Er merkte natürlich, dass Tupu ihn mit dieser Bemerkung hatte treffen wollen, aber er dachte zu wenig kolonialistisch, als dass ihm solche Provokationen etwas ausmachten. Außerdem hatte er ganz andere Sorgen.
»Reden wir über Tuila«, sagte er. »Ich möchte nicht, dass sie einen Mann heiraten muss, der ihr befiehlt, unser gemeinsames Kind zu ertränken.«
Tupu, der noch nie in einem Sessel gesessen hatte, genoss es, sich in einen fallen zu lassen und darin ausgiebig zu räkeln. Dann bat er um einen weiteren Gin.
»So, das reicht jetzt!«, rief Tristan, packte Tupu kräftig am Arm und zog ihn aus dem Sessel hoch. Einen Moment lang standen sie so dicht beieinander, dass sich ihre Nasen fast berührten, und ihr Blick verschmolz ineinander.
»Ich war bisher ausgesprochen geduldig, Tupu, und ich habe dir und deiner Familie immer Freundschaft entgegengebracht,
aber ich schwöre dir, wenn Tuila oder meinem Kind, geboren oder ungeboren, irgendetwas zustößt, dann wirst du mich nicht mehr wiedererkennen.«
Ohne ihren Blick voneinander zu lösen, standen sie sich weiterhin gegenüber, doch Tupu entzog sich langsam und vorsichtig Tristans Griff, so als könne die nächste Bewegung seinen Tod bedeuten.
Schließlich wich Tupu einen Schritt zurück und senkte den Blick. Er hatte nachgegeben, Tristan hatte diesen Streit für sich entschieden. Aber Tupus großer Augenblick kam ja erst noch. Gut, er hatte den Bogen eben etwas überspannt, sich allzu selbstherrlich gefühlt angesichts des Triumphes, der ihm bevorstand. Es war besser, harmlos und bescheiden aufzutreten. Vorläufig.
»Ich habe mich dumm benommen«, entschuldigte er sich. »Es hat mir Spaß gemacht, dich ein wenig zappeln zu lassen, das tut mir Leid. Aber du wirst mir schnell verzeihen, wenn ich dir sage, dass ich mir das mit eurer Heirat noch einmal überlegt habe, jetzt, wo Tuila ein Kind erwartet.«
Tristans Stimmung schlug sofort um. »Überlegt«, fragte er hoffnungsvoll.
»Ja. Dieses Kind, dieses Haus und deine Sorge um Tuila haben mich überzeugt, dass du tatsächlich immer für sie da sein wirst. Eine öffentliche Hochzeit, die dir so viele Schwierigkeiten machen würde, ist nicht mehr nötig.«
Tristan fiel ein Stein vom Herzen. »Ist das wahr?« Er umarmte ihn. »Ich danke dir. Es gehört sehr viel Mut dazu, eine Entscheidung, die man getroffen hat, zu korrigieren. Du bist ein mutiger Mann, Tupu.«
Tupu lächelte. »Danke. Und du auch, denn ich habe gehört, du hast deine Verlobung mit einer weißen Frau rückgängig gemacht. Da wurde mir endgültig klar, dass du Tuila ein guter Mann sein wirst, auch ohne öffentliche Heirat. Ich habe mit dem neuen Missionar gesprochen, in Pataivai.«
»Ordinarius Löblich.«
»Ich habe ihn gefragt, ob er eine Trauung auch heimlich durchführen könnte. Und er sagte, dass es jedem Paar freisteht, wie öffentlich es eine Hochzeit gestaltet. Er muss die Heirat in ein Buch eintragen, aber Bücher, sagt er, können nur sprechen, wenn man sie aufschlägt.«
Tristan stutzte. »Ich kann dir nicht ganz folgen, Tupu. Meinst du damit, ich soll Tuila heimlich zur Frau nehmen? Das wäre
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