Der Duft der Mondblume
Rücken«, riet sie ihr leise.
Catherine half Onkel Henry etwas Gemüse zu ernten, die Hühner einzusperren und einen Milchvorrat für die Zicklein zuzubereiten, der über Nacht reichen würde. Tante Lani sang beim Kochen. Die langen Schatten griffen nach dem schlichten Haus, als der Tag verblasste. Catherine fühlte sich ruhiger, Frieden erfüllte sie. Trotz des Rauschens der Brandung erinnerte sie dieser Ort an das heimatliche Heatherbrae … er strahlte Sicherheit, Geborgenheit, Liebe aus.
Sie fühlte sich wie eine verwöhnte Tochter. Tante Lani bestand darauf, dass sie beim Abendessen einen Nachschlag nahm, und Onkel Henry wollte alles über das Anwesen ihres Vaters und über ihr Pferd Parker hören.
Nach dem Essen setzte sich Tante Lani in einen Schaukelstuhl unter einer hellen Lampe und arbeitete an einem Quilt. Onkel Henry rauchte draußen im Dunkeln eine Zigarette und betrachtete den aufgehenden Mond.
»Es ist eine klare Nacht. Vielleicht mache ich einen kleinen Spaziergang«, meinte Catherine.
»Nimm meine Taschenlampe mit. Nur für alle Fälle«, sagte Onkel Henry. »Da draußen hast du nichts zu befürchten. Aber Sterngucker sehen manchmal nicht, wo sie hintreten«, lachte er. »Kopf in den Wolken, die Füße im Puka.«
Catherine umrundete das Haus und folgte schmalen, ausgetretenen Pfaden, bis sie zu einem kleinen Bach kam, der sich aus Gebirgsquellen speiste. Sie kauerte sich nieder und beobachtete, wie das Wasser über die Steine plätscherte. Wenn Regen die in Nebel gehüllten Gipfel peitschte und alle Wasserfälle tosten, würde dieser Bach bestimmt dreimal so breit sein.
Sie fragte sich, was ihre Freunde gerade taten. PJ war jetzt bestimmt mit Freunden und Besuchern in seinem Haus – es gab immer den einen oder anderen Surfer aus Australien oder vom Festland. Kiann’e tanzte und wusste, dass ihr Mann stolz auf das war, was sie tat. Eleanor begrüßte liebenswürdig ihre Gäste, und Abel John war zu Hause bei seiner Familie. Wer würde sie, Catherine, vermissen? Würden sie an sie denken, wenn sie fort war? Und Bradley? War er nicht zu beschäftigt mit seiner Karriere und seinen Plänen für Washington, um an sie zu denken?
Wie Catherine so dasaß, die Arme um die Knie geschlungen, glaubte sie, am anderen Ufer des Bachs ein Rascheln zu hören. Sie griff nach ihrer Taschenlampe, zögerte aber, sie einzuschalten. Was war da in den Bäumen? War es Nebel, Mondlicht, das plötzlich durch die Zweige drang, ein herrenloses weißes Tier?
Einen Moment lang erspähte sie die Gestalt einer Frau mit langem weißem Haar in einem schimmernden Kleid, aber sie war durchsichtig, denn Catherine erkannte die dunklen Umrisse der Bäume hinter ihr. Die Erscheinung schwebte und schwankte, und Catherine stieg jäh ein starker Duft in die Nase, betörend süß und seltsam vertraut. Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Als sie sie wieder aufschlug, war die Erscheinung verschwunden und das Rascheln verstummt, aber ein Hauch des Dufts hing noch in der Luft.
Catherine empfand keine Angst. Sie stand auf, schaltete die Taschenlampe ein und folgte dem unruhigen Strahl zurück zum Haus. Merkwürdigerweise fühlte sie sich getröstet, ruhig und ein wenig traurig, denn sie wusste, die Zeit der Unschlüssigkeit war vorüber.
In der Nacht fütterte Catherine die Zicklein und legte sie in die gepolsterte Kiste zurück, die Tante Lani hergerichtet hatte. Dann kuschelte sie sich wieder unter ihre Baumwolldecke. Draußen vor dem Fenster sah sie von Silberlicht überzogene Palmwedel. Ein Nachtvogel rief. Sie war dem hawaiianischen Paar, das sie unter seine Fittiche genommen hatte und wie eine Tochter behandelte, so dankbar. Während sie einschlummerte, wusste sie, dass Hawaii ihre zweite Heimat war. Hier ging es ihr gut. Und als sie in den Schlaf hinüberdriftete, kam ihr die Erkenntnis, dass Bradley und sie niemals eine gemeinsame Basis finden würden, und wenn sie vierzig Jahre verheiratet wären.
Tante Lani und Onkel Henry waren überglücklich, dass Catherine bei ihnen übernachtete, nicht zuletzt weil sie spürten, dass sie unglücklich war.
»Bitte, Catherine, du weißt, dass du uns immer willkommen bist«, sagte Tante Lani. Catherine dankte den beiden für ihre Freundlichkeit, sagte aber, dass ihr über Nacht vieles klargeworden sei und sie jetzt wisse, was zu tun war.
Sie erwartete Bradley täglich zurück. Er wollte ihr das genaue Datum telefonisch durchgeben. Also blieb Catherine in der Wohnung und wartete
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