Der Duft der Mondblume
Unvorstellbar, hier wegzugehen und im unfreundlichen Washington zu leben. Sie hatte gehört, wie Marineangehörige über die Stadt sprachen, und ihr war klar, dass die Stationierung dort für sie eine Strafe sein würde, mochte Bradleys neue Stellung auch noch so prestigeträchtig sein.
Auf dem Stützpunkt herrschte Ruhe, kein Mensch war zu sehen, und als sie in ihre Wohnung zurückkehrte, hatte sie wieder das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Sie musste raus, an den Strand, ins Wasser, auf ihr Brett und die Kraft der Welle spüren, die sie forttrug, weit weg … Catherine rannte aus der Wohnung und knallte die Tür hinter sich zu.
Wie war das möglich? Benommen fuhr sie durch die Straßen. Ein Einheimischer räumte ihr mit einem Wink lächelnd die Vorfahrt ein. Hier war alles so vertraut, so warm, von der Sonne bis zu den freundlichen Menschen.
Catherine hielt vor PJ s Haus und wusste sofort, dass er nicht da war, denn
Woody,
sein alter Kastenwagen, stand nicht vor der Tür. Im Haus war niemand, der ihr sagen konnte, an welchen Strand er gefahren war. So war es oft. Irgendwie sprach es sich herum, wenn die großen Wellen kamen, und plötzlich tauchten an einem abgelegenen, menschenleeren Strand die Surfer auf. PJ würde auch dort sein. Sie nahm sich eines der Bretter, das sie schon einmal benutzt hatte, legte es ins Auto und fuhr ihn suchen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie
Woody
neben anderen Autos am Straßenrand entdeckte. Von dort führte ein Pfad durch eine Ananaspflanzung zum Strand. Hier war sie schon einmal mit PJ gewesen. Die Arbeiter auf der Plantage hatten nicht einmal aufgeblickt, als die Männer mit nackten Oberkörpern und Surfbrettern durch das mit Kiavedornen gespickte Feld hopsten und rannten. Dann wand sich der Pfad zwischen den Opiabäumen durch, die der Plantage als Windschutz dienten. Catherine vernahm das Tosen der Wellen. Sie überquerte eine kleine Düne und entdeckte unter einem Schraubenbaum die Ausrüstung der Surfer: Damiens kleine Reisetasche, in der sich Handtücher, Zinkcreme und Boardwachs befanden; daneben PJ s Handtuch, seine Schuhe und ein Hemd.
Es herrschte ziemlich hoher Wellengang, die Brandung war ein gutes Stück entfernt. Offenbar gab es dort eine flache Sandbank, an der sich die Wogen bei ihrem Ansturm auf den Strand brachen. Zur Rechten sah sie weit draußen, weit jenseits des Bereichs, in dem sie sich noch sicher fühlte, wie zwei Wellenreiter es mit einer anständigen Tube aufnahmen.
Catherine zog ein T-Shirt über, trug ihr Brett zum Wasser, legte sich darauf und begann zu paddeln. Bei den Wellen angelangt, wirkten sie größer als von der Küste aus, doch Catherine tat, was PJ ihr beigebracht hatte: Sie wartete, beobachtete und wählte dann die richtige Welle, auf der sie einen kurzen, aber aufregenden Ritt machte.
Zwei Surfer tauchten in der Nähe auf, und Catherine merkte, dass sie sie beobachteten. Sie nahm noch zwei Wellen, dann kam plötzlich PJ auf seinem Brett zur ihr.
»Hi. Wie geht’s?«
»Ich hab’s drinnen nicht mehr ausgehalten.«
»Yep. Das Gefühl kenne ich. Kommst du klar? Wir gehen an Land was essen.«
»Keine schlechte Idee.« Es war schon ziemlich lange her, dass sie ihre beiden Malasadas verzehrt hatte.
Während sie auf Damien und die anderen warteten, sah PJ sie an, beugte sich dann über sie und rieb ihr Rücken und Schultern mit seinem Handtuch trocken.
»Du zitterst ja. Aber die Sonne wärmt dich gleich wieder auf.«
»Ich glaube nicht, dass mir je wieder warm wird«, sagte sie.
Lächelnd hüllte er sie in sein feuchtes Handtuch und legte den Arm um sie. »Ach, PJ .« Sie barg den Kopf an seiner Schulter und brach in Tränen aus.
»He, he, was ist das? Was ist passiert?« Er hob ihr Kinn an und sah in ihr bekümmertes Gesicht.
»Ich muss fort. Bradley ist ins Pentagon versetzt worden. Ich kann aber nicht, ich kann einfach nicht weg von hier.« Sie schluchzte heftig.
PJ umfasste ihre bebenden Schultern.
Schließlich blickte Catherine auf. »Was soll ich tun?«
»Was möchtest du denn tun?«, fragte er leise.
Sie schaute in seine blauen Augen. »Ich will nicht fort. Ich kann nicht in diesem langweiligen Washington leben! Ich kann das alles nicht zurücklassen.«
»Dann hast du deine Entscheidung doch schon getroffen, oder?« Es war eine Feststellung.
»Aber wie soll das gehen? Ich meine, Bradley verlassen …« Jetzt, da sie es ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, was sie dachte, fühlte, sagte.
PJ ließ sie los.
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