Der Duft der Mondblume
halten, doch da tauchte Onkel Henry mit zwei kleinen Ziegen am Straßenrand auf. Er erkannte Catherine und winkte, also stoppte sie am Straßenrand.
»Du besuchst uns, wie schön! Wie geht es dir, Catherine?«
»Nicht schlecht, Onkel Henry. Sind das eure Ziegen?«
»Neue Keikis – ihre Mama ist gestorben, also haben Lani und ich zwei neue Kinder!«
»Es ist noch ein ganzes Stück bis zu eurem Haus. Möchtest du mitfahren?« Catherine stieg aus.
»Das wäre schön. Sie sind ein bisschen schwach, weil sie mächtig Hunger haben. Lani ist in den Laden gegangen. Sie will Milchpulver und Flaschen kaufen.«
»Ach, sind die niedlich.« Catherine nahm das kleine seidige Bündel mit den langen Beinen, das Henry ihr reichte. »Legen wir sie auf die Rückbank, und du setzt dich dazwischen, Onkel.«
Kurz darauf trugen Catherine und Onkel Henry die Kitze ins Haus und machten es sich in der Küche gemütlich, wo Tante Lani eine gepolsterte Kiste für die Neuankömmlinge bereitgestellt hatte. Catherine streichelte das kleine Wesen auf ihrem Schoß. Sie betrachtete die feuchte schwarze Nase, die hellrosa Haut unter dem flaumigen Fell, die feinen Wimpern, die schmalen, zierlichen Beine und die winzigen Hufe. »Wirklich süß. Was passiert mit ihnen?«
»Zuerst bleiben sie im Haus, später kommen sie nach draußen auf die Wiese. Wenn sie Tantchens Blumen fressen, dann landen sie im Imu, wikiwiki.«
»Oh, nein!«
»War doch nur Spaß«, lachte Onkel Henry. »Du wirst sehen, Lani nimmt sie mit in unser Bett, wenn ich nicht aufpasse.«
»Du passt besser auf, Henry, sonst wirst du noch in die Hundehütte verbannt. Sieh mal einer an … Catherine! Schön, dich zu sehen.« Lani drückte Catherine einen Kuss auf die Wange und stellte die braune Papiertüte mit den Einkäufen auf die Bank. »Du bist also zum Babysitten abkommandiert worden.«
»Ich bin nur zufällig vorbeigekommen, Tantchen.«
»Nur zufällig? Hier draußen? Das ist ja wirklich praktisch. Ich richte rasch das Fläschchen, dann kannst du das Kleine gleich füttern.«
Catherine saß auf der Terrasse hinter dem Haus mit Blick auf den Garten und die Berge. Das Kitz schlief auf ihrem Schoß. Hinter sich hörte sie die Brandung, die gegen das Riff schlug.
»Sie können in der Kiste in der Küche schlafen«, sagte Tante Lani mit resignierter Stimme. »Es ist, als hätte man selbst noch mal zwei Babys.« Sie lächelte Catherine an und streichelte das schlafende Kitz. »Du siehst richtig mütterlich aus. Willst du bald eigene Kinder haben?«
Catherine zuckte unwillkürlich zusammen, und das Kleine wachte auf. »Nein. Auf keinen Fall!«
Tante Lani sah sie durchdringend an. »Du willst keine Kinder?«
»Noch nicht. Nicht …« Tränen traten ihr in die Augen, und sie wandte sich ab.
»Das tut mir leid, Catherine, es geht mich nichts an.« Tante Lani wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
»Es ist alles so schwierig … Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll«, flüsterte Catherine.
Tante Lani legte Catherine sanft die Hand auf den Kopf. »Schlaf drüber. Wenn du Probleme hast und nicht weißt, was du tun sollst, schieb es eine Weile beiseite und ruh dich aus, damit dein Kopf klar wird. Am nächsten Morgen sieht meistens alles ganz anders aus. Und, mein liebes Kind, nur du kannst die Entscheidung treffen, egal was es ist. Nur du.«
Onkel Henry kam vom Garten herauf. »Ich glaube, das Gehege für die Babys ist ganz gut geworden. Möchtet ihr es euch mal ansehen?«
»Gern. Ich wollte gerade vorschlagen, dass Catherine über Nacht bei uns bleibt. Als Babysitter für das Kleine. Schaffst du ein paar Nachtfütterungen, Catherine?«
»Ach, ich … war nicht darauf eingestellt zu bleiben … aber wenn ihr mich braucht …«
»Unbedingt.« Tante Lani schob Onkel Henry ins Haus. Ihren Blick deutete er richtig als »Sag jetzt bloß nichts«. »Heute Abend sind wir zur Abwechslung unter uns. Die Kinder sind alle bei Freunden oder ihren Cousinen und Cousins. Wenn dein Mann noch unterwegs ist, kannst du doch hierbleiben. Niemand wird sich Sorgen um dich machen, oder? Es tut gut, hier zu sein, Catherine. Hier ist ein besonderer Ort, eine Wiege zwischen den Bergen und dem Meer.« Tante Lani seufzte. »Wir genießen es, solange wir noch können. Wenn man uns zwingt, von hier wegzugehen, wird die Magie unter irgendeinem Gebäudekomplex begraben. Ruh dich aus. Nach einer Nacht im Schatten des Berges siehst du klarer. Mach einen Spaziergang mauka. Kehr dem Meer den
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