Der Duft der Mondblume
Baströcken schwangen die Hüften und hoben die Arme gen Himmel, während sie im Sand tanzten.
Er spürte die Sonne und versuchte sich vorzustellen, wie es sich anfühlen mochte, so übers Wasser zu gehen. Den Untertiteln entnahm er, dass er Surfer auf Hawaii sah. Das Surfen sei eine Kunst, die einst Königen und Stammeshäuptlingen vorbehalten war, erfuhr er; inzwischen aber sei ein Wettkampfsport daraus geworden, und in Waikiki könne es jeder lernen.
Er erinnerte sich nie daran, welcher Hauptfilm an diesem Tag im Kino gezeigt wurde. Aber von dem Augenblick an, da er aus dem dunklen Lichtspielhaus hinaus in den trüben Nachmittag trat, war der junge Mann fest entschlossen, eines Tages selbst die Wellen am Strand von Waikiki zu reiten.
In Red Hawk, Nebraska, gab es nicht viel Unterhaltung für junge Leute, doch der junge Mann hielt sich gerne fit. Im Sommer schwamm er in den Bergseen weit außerhalb der Stadt. Wenn es dafür zu kalt wurde, lief er. Die Leute fanden es merkwürdig, dass er meilenweit durch die Prärie oder einsame Straßen entlangrannte. Da gab es doch nichts, was das Rennen lohnte, fanden sie, nur die Prärie, die am Fuß der Rockies am Ortsrand von Muskosha ans Indianerreservat grenzte. Und dann drehte er um und lief im Mondschein nach Hause zurück. Er war so zäh, dass er tagelang mit wenig Essen auskam.
Der junge Mann hatte auf der Farm seines Vaters gearbeitet und gelegentlich auch für Geschäftsleute in Red Hawk. Dabei hatte er sich mit Menschen auf der Durchreise unterhalten, ob fahrendes Volk, Zirkusartisten oder Wanderarbeiterfamilien, die sich im Westen der USA ansiedeln wollten.
Auch ihn packte das Reisefieber, und er fing an, durch die Lande zu ziehen und seine Arbeitskraft als Gegenleistung für Essen anzubieten. Und überall, wo er hinkam, fand er einen Wohltäter, sobald er nicht mehr wusste, wohin, und Hunger und Kälte ihn plagten.
Bald hatte er Übung darin, heimlich auf Güterzügen mitzufahren, und durchquerte so Prärie und Gebirge. Schnell lernte er, den »Eisenbahnbullen« auszuweichen, die angeheuert worden waren, um jeden mit roher Gewalt daran zu hindern, sich in einen Güterwaggon zu schleichen. Er lernte, Hunger und andere Qualen auszuhalten, indem er sich geistig an einen anderen Ort versetzte. Wieder tauchte vor seinem inneren Auge Hawaii auf.
Ein Hobo, der mit ihm im Güterwaggon fuhr, riet ihm, in den Westen zu gehen. In Kalifornien würden seine Träume wahr werden. Dort war das Paradies, die Heimat von Califia, der Königin der Insel California. Während sie über die Schienen ratterten, erzählte ihm der Hobo das Märchen von der Insel, die von wunderschönen schwarzen Amazonen regiert wurde. In goldenen Rüstungen machten sie die Meere unsicher und raubten die Männer, die sie haben wollten, nahmen sie mit Gewalt und weihten sie und alle männlichen Nachkommen dem Tod, indem sie sie an riesige menschenfressende Greifen verfütterten.
Kalifornien würde sein nächstes Ziel sein, entschied der junge Mann. Und schließlich erreichte er die »Stadt der Engel«.
Es war beinahe das Paradies. Die Luft war klar, in der Ferne sah er die Berge von Santa Ana, die Sonne schien warm, und die Straßen waren von Palmen gesäumt. Außerdem gab es einen Strand, und das Meer sah fast so schön und magisch aus, wie er es sich um die Inseln von Hawaii herum ausgemalt hatte.
Als der Sommer kam, verdingte er sich als Lebensretter am Strand. Bald war er der beste Schwimmer weit und breit, er rettete mehrere Menschen vor dem Ertrinken, indem er mit kräftigen Stößen zu ihnen schwamm und sie zurück ans Ufer brachte.
Ein dankbarer Überlebender überreichte dem jungen Mann ein Geldbündel, mit dessen Hilfe er den Winter in L.A. überstand, denn nun hatte er keine Arbeit mehr. Er konnte sich ganz aufs Schwimmen und Laufen konzentrieren und hielt seinen Körper fit, seinen Verstand klar und ließ sich seine Träume nicht nehmen.
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3
W egen des leichten Nieselregens schleppte sich der Berufsverkehr in Sydney an diesem Morgen langsamer dahin als sonst.
Mollie saß am Steuer, Catherine neben ihr betrachtete die hübschen Reihen der Vorstadthäuser mit den roten Dächern und meinte: »Alles sieht hier so ordentlich und spießig aus nach dem wild wuchernden Grün und der lässigen Lebensweise auf Hawaii.«
»Hawaii scheint himmlisch zu sein. Der Unterschied wird dir erst recht auffallen, wenn du nach Peel kommst. Es ist ziemlich ausgedörrt. Deine Mum sagt, dass
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