Der Duft der Mondblume
und musterte Catherine, die ihren Blick freimütig erwiderte.
Die ältere Schwester hatte dieselben Augen und denselben Mund wie Angela, war aber größer, kräftiger und etwas derber als sie. Ihr graumeliertes braunes Haar war gut geschnitten, sie trug es mit Seitenscheitel und einer Schildpattklemme zurückgesteckt. Die Füße fest auf den Boden gestellt, saß sie kerzengerade auf dem Bett.
»Na, wie findest du die Familie? Ist das Eheleben so, wie du es dir vorgestellt hast?«
»Ich bin ja erst seit ein paar Tagen hier. Bei der Hochzeit hatte ich kaum Gelegenheit, alle kennenzulernen. Und seit wir hier sind, geht es ziemlich hektisch zu.«
»Ich weiß. Aber du musst nicht jedes Geschäft mit ihnen abklappern. Sag ihnen, dass du lieber hierbleibst, und setz dich mit einem guten Buch in den Patio. So halte ich das.«
»Alle sind so gastfreundlich, und Bradley will mir gern alles zeigen.«
»Dich vorzeigen trifft es wohl eher. Du bist ein hübsches Ding. Attraktiv und natürlich. Bleib so. Gefällt es dir auf Hawaii?«
»Oh, ja! Warst du schon dort?«
Meredith lächelte, als sie die aufleuchtende Begeisterung in Catherines Gesicht sah. »In den Fünfzigern. Bei einer Kreuzfahrt. Ich fliege nicht gern.«
»Du musst uns unbedingt besuchen«, sagte Catherine zu ihrer eigenen Überraschung.
»Nein. Aber du besuchst mich mal. Ich wusste, dass du mir gefallen würdest. Da hat Bradley einen guten Griff getan. Dachte schon, er würde eine aus Angelas endloser Parade passender Partien nehmen. Freut mich zu sehen, dass der Junge seinen eigenen Kopf hat. Und was fängst du mit dir an, während er Schiffe versenken spielt?«
Catherines erster Impuls war es, Bradleys Beruf zu verteidigen und darzulegen, wie ernst er die Marine nahm. Doch das wusste Meredith zweifellos, es war einfach ihre Art, sich flapsig auszudrücken. »Ich bin noch beim Eingewöhnen, schau mich um, erkunde die Gegend. Ich hab eine hinreißende Einheimische kennengelernt, eine Tänzerin, sie hat mir schon eine Menge gezeigt. Neulich waren wir bei ihrer Tante, die irgendwie mit der Königsfamilie von Kauai verwandt ist, ich glaube, mit einer der Prinzessinnen. Ach, und dann sind da natürlich noch die Besuche und Verpflichtungen beim Marine-Frauenclub.«
»Na klar«, sagte Meredith mit schiefem Lächeln. »Hör zu, junge Dame, geh aus und tu, was du willst, solange du noch die Freiheit dazu hast.« Sie leerte den Kaffeebecher und stand auf. »Wahrscheinlich glaubt Angela, ich hab dich in die Zange genommen und quetsch dich aus wie eine Zitrone. Also nichts wie rüber zur Musik und ran an die Cocktails. Zumindest du musst dich hier ja zu Hause fühlen.«
»In Kalifornien?«, fragte Catherine, als sie in Richtung Wohnzimmer gingen.
»Ja.« Meredith senkte die Stimme und zeigte auf den Thermostat an der Wand. »Die heizen das Haus immer auf eine Temperatur wie die Tropen im Hochsommer. Verrückt.« Umgehend drehte sie die Anzeige ein paar Grad tiefer. »Mach nachts das Fenster auf, damit du ein bisschen frische Luft abbekommst, sonst dörrt dich die Zentralheizung aus wie eine ägyptische Mumie.«
»Guter Tipp«, antwortete Catherine und hatte die freimütige Meredith bereits ins Herz geschlossen.
Nach dem Abendessen zog sich Meredith bald zurück. »Ich werde mir kein Gequatsche oder Spieleshows im Fernsehen ansehen.«
Angela bat Catherine, ihr beim Tischdecken zu helfen, während Bradley und sein Vater sich einen alten John-Wayne-Film ansahen. Zuerst war Catherine überrascht, dass sie jetzt schon für ein Essen eindeckten, das es erst relativ spät am nächsten Tag geben sollte. »Wir essen um zwei«, hatte Angela erklärt. Doch als Catherine die komplizierten Vorbereitungen sah, verstand sie die Logik dahinter.
Auf den ausgezogenen Esstisch wurde eine spitzenbesetzte gestärkte Leinendecke gelegt. Die dazu gehörigen Servietten kamen in silberne Serviettenringe, die zu dem silbernen Leuchter passten. Angela hatte bereits das ganze Silber geputzt und auch alle Kristallgläser poliert. An einem Beispiel zeigte sie Catherine, was sie tun sollte: Die weißen und silbernen Speiseteller kamen unter den Salatteller, der Brot- und Butterteller an die Seite, die Serviette wurde wie ein Vogel gefaltet in den Ring geschoben und dann mitten auf die Teller gelegt. Dies wiederholte Catherine für zehn Tischgäste. An Bradleys und Catherines Platz funkelten außerdem die Champagnergläser mit ihrem Monogramm; sie standen auf silbernen Untersetzern, in die
Weitere Kostenlose Bücher