Der Duft der Mondblume
nun. »Schließlich kommt Meredith von weither, nur um dich kennenzulernen.«
»Wie ist sie so? Sie ist die ältere Schwester deiner Mutter, stimmt’s?« Catherine versuchte, einen Überblick über die Familie zu gewinnen.
»Meredith ist ein bisschen radikal. Ganz anders als Mutter. Jung geschieden, keine Kinder, erfolgreich im Beruf, ziemlich herrisch. Aber vermutlich werdet ihr beide prima miteinander auskommen.«
»Damit willst du hoffentlich nicht andeuten, dass ich herrisch bin?«, meinte Catherine spitz.
»Nein, natürlich nicht«, lächelte Bradley. »Man muss nur alles, was sie sagt, mit Vorsicht behandeln.«
»Übertreibt sie? Oder schwindelt sie?«
»Nein, nein. Sie ist einfach ziemlich stur.«
»Verstehe. Ich werde mir Mühe geben, nichts zu sagen, was sie aufbringen könnte«, meinte Catherine, dachte aber bei sich, dass sie ganz gern mal ein paar entschiedene Meinungen hören würde. Alle um sie herum waren so zuckersüß, so rücksichtsvoll und, ja, fad. Vermutlich bemühte sich Bradleys Familie, bestes Benehmen zu zeigen und nichts zu sagen, was einen schlechten Eindruck hinterlassen oder sie, Catherine, unangenehm berühren konnte. Daher machten sie einen weiten Bogen um Politik, Religion, bösartige Verwandte und alle Fettnäpfchen, in die man mal getreten war. Auch aus Bradleys Kindheit kamen nur erfreuliche und erstaunliche Begebenheiten zur Sprache.
Richard und Angela waren nicht gerade spießig, aber selbst wenn sie ein paar Cocktails intus hatten, viel lachten und lauter redeten als sonst, sagte keiner etwas von Belang. Sie hatten sich weder nach Bradleys Fortkommen erkundigt noch nach ihren Plänen und Aussichten; die Kriegssituation in Asien und der Ausbau der US -Flotte im Pazifik waren ebenso wenig Thema wie die Gerüchte um eine Ölkrise im Nahen Osten. Doch dann rief sich Catherine in Erinnerung, dass Richard ehemaliger Marineoffizier war und Bradleys Eltern genau wussten, wie ihr Leben aussah.
Angela erkundigte sich, wie sie die kleine Wohnung umgestalten wollte, wo sie einkaufte und wie sie mit den Frauen der anderen Marineoffiziere auskam. Also erwähnte Catherine lieber nicht, dass sie weiterhin gern arbeiten gehen würde.
Meredith traf am Vorabend von Thanksgiving ein, und Deidre drängte sie, in ihrem Zimmer zu übernachten. Sie selbst wollte unterdessen bei einer Studienfreundin bleiben.
»Mir würde es nichts ausmachen, im Deauville Lodge zu wohnen, aber wenn du darauf bestehst, Deidre – danke. Dann habe ich mehr Zeit, mich mit dem neuesten Mitglied der Sippe zu unterhalten. Hallo, meine Liebe. Du bist offensichtlich Catherine.« Sie trat mit ausgestreckter Hand auf Catherine zu und schüttelte kräftig ihre Rechte. »Schön, dich kennenzulernen. Und gut, dass mal frisches Blut in die Familie kommt.«
»Meredith, also wirklich. Das klingt ja, als wären wir die letzten Hinterwäldler.« Angela führte ihre Schwester ins Haus. »Komm, mach dich frisch, und dann trinken wir einen Kaffee oder etwas Stärkeres. In Kürze ist auch das Abendessen so weit. Nur was Leichtes, eine Quiche. Und ein kleiner Cäsar-Salat.«
»Damit wir uns nicht den Appetit auf den Truthahn verderben? Hoffe, ich hab euch nicht warten lassen. Der Verkehr, ihr wisst ja. Alle Welt war unterwegs, um zu Thanksgiving zu Hause zu sein. Ein Alptraum.«
»Bist du den ganzen Weg von Portland hierhergefahren?«, fragte Catherine.
»Aber sicher doch. Anschließend geht’s weiter nach Big Sur drunten an der Küste. Außergewöhnlicher Ort. Interessante Leute. Sag Bradley, ihr solltet mal dorthin fahren.«
»Hier herein, Meredith. Ich hab dir frische Handtücher rausgelegt.« Sie verschwanden in Deidres Zimmer. Obwohl Deidre ausgezogen war, als sie mit achtzehn aufs College kam, war es immer noch als Kleinmädchenzimmer eingerichtet, mit Rüschenkissen, Vorhängen und Bettdecke aus rosa-weißer Baumwolle mit weißer Lochstickerei.
Merediths energische Stimme hallte durch den Korridor. »Du lieber Himmel, Angela, hat Deidre den ganzen Mist nie rausgeschmissen? Muss ich etwa zwischen lauter Puppen und Teddybären schlafen? Ich fühle mich wie in Zuckerguss.«
»Dann bring ich dir am besten mal einen Kaffee, schwarz und ohne Zucker«, gab Angela schnippisch zurück und ließ ihre Schwester allein auspacken.
Catherine trug den Kaffeebecher zu Meredith ins »zuckersüße Puppenheim«.
»Komm rein, Mädel. Wirf den Firlefanz runter und setz dich auf den Schaukelstuhl.« Meredith trank einen Schluck Kaffee
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