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Der Duft der Mondblume

Der Duft der Mondblume

Titel: Der Duft der Mondblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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abgewinkelt wie ein Tänzer, den Lavalava eng geknotet – sieht aus wie eine Windel, dachte sie. Andere zeigten ihn nackt auf dem Sand liegend, den Rücken der Kamera zugewandt. Er hatte einen hageren, aber muskulösen, wohlgeformten Körper, der überall gebräunt war; im Sonnenlicht schimmerten die hellen Härchen auf seinem Arm, und die von der Sonne gebleichten blonden Haare fielen ihm ins Gesicht. Ein weiteres Foto zeigte ihn von der Seite, den Rücken der Kamera zugewandt, nackt ausgestreckt im Sand, den Kopf auf den abgewinkelten Arm gelegt, die andere Hand hielt eine große Trophäe – vermutlich irgendeinen Pokal fürs Surfen oder Schwimmen. Die Schwarzweißbilder waren von preiswürdiger Qualität und sahen aus, als seien sie erst gestern geschossen worden.
    »Von wem sind diese großartigen Fotos?«, fragte Catherine.
    »Einige hab ich selbst gemacht und andere arrangiert, wobei eine Freundin den Auslöser betätigte.« Er lächelte.
    »Lester, kann ich mir das Album ausleihen, wenn ich dir verspreche, es wie meinen Augapfel zu hüten?«
    »Warum interessierst du dich für einen alten Mann?«, fragte er freundlich.
    Catherine hatte nicht gleich eine Antwort parat. »Ich mag dich, Lester«, sagte sie schließlich. »Und ich glaube, du bist ein gutes Sujet für den Porträtwettbewerb.«
    »Was hast du vor? Ich wüsste einen guten Ort«, sagte Lester.
    »Am Strand? Vor dem Outrigger Canoe Club, wo einige der Bilder entstanden sind?«, fragte Catherine.
    »Machen wir’s gleich, Mädchen. Gehen wir.«
    »Okay, bist du so weit?«
    Lester wollte sich erst noch umziehen. Währenddessen wusch Catherine die Kaffeetassen ab und räumte sie ein. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als Lester aus dem Schlafzimmer wieder auftauchte: in weißen Shorts mit einem Ledergürtel mit schicker silbern-türkiser Schnalle und einem ausgeblichenen blau-weißen Alohahemd, in der Tasche eine Sonnenbrille und ein keckes Käppi auf dem Kopf. Er trug Sandalen und stützte sich auf seinen Stock.
    »Ich bin fertig, wir können gehen.«
    Die Sonne stand noch hoch am frühen Nachmittag, und Waikiki war voller Menschen. Auf Lesters Beharren hin parkte sie vor dem Outrigger Canoe Club.
    »Mike, der Manager, lässt mich rein. Von hier kommen wir gut an den Strand.« Lester steuerte kurzerhand auf den Empfang für Mitglieder zu.
    »Bist du Mitglied?«, fragte Catherine.
    »War ich mal, vor fünfzig Jahren. Sie kennen mich.«
    Catherine griff nach ihrer Kameratasche und folgte ihm.
    Lester strahlte das Mädchen an der Theke an und meinte lässig: »Wir machen draußen ein paar Fotos von mir, es wird nicht lange dauern.«
    »Sehr schön, Lester, du kennst dich ja aus.« Sie lächelte Catherine zu.
    Lester hatte einige Vorschläge für die Fotos: Vor einem Auslegerkanu, das man auf den Strand gezogen hatte; an einen knorrigen Banyanbaum gelehnt; und natürlich mit einem Surfbrett. Als Fotomodell war er ein Naturtalent, und Catherine machte etliche Aufnahmen, die sie für gut hielt, aber
die eine
war nicht dabei. Sie sah zum Meer, wo einige Surfer mit ihren Brettern gerade aus dem Wasser kamen. Lester musterte sie, blinzelnd im hellen Sonnenlicht.
    »Die Zeiten haben sich geändert«, sagte Catherine. »Diese Bretter sehen anders aus als die großen schweren, die du benutzt hast.«
    »So ist es, aber manche Dinge ändern sich nie«, sagte Lester leise. »Sie surfen noch immer, weil es ihnen ein tiefes Bedürfnis ist. Um sich selbst zu verwirklichen, nicht wegen ihres Egos oder um Preise zu gewinnen.« Als die Surfer den Strand heraufkamen, sah einer von ihnen Lester und raunte den anderen etwas zu. Dann steuerten sie alle auf den Mann mit den weißen Haaren und dem verblichenen Hemd zu, der sie seinerseits wehmütig betrachtete.
    Catherine trat zur Seite und begann, Fotos zu machen. Der Erste, der Lester begrüßte, war Damien, der Australier, den Catherine bei der Kundgebung getroffen hatte. Er wirkte geradezu ehrfürchtig. Die anderen beiden Jungs, einer mit ausgebleichtem blondem Haar, der andere ein Hawaiianer, kannte sie nicht. Sie wollten Lester die Hand schütteln und ihm Fragen stellen. Man sah deutlich, dass er nicht vergessen war. Einer legte sein Brett hin und ging zu Catherine.
    »Hi. Wie kommt’s, dass du mit Lester hier bist?«
    »Ich möchte Porträtfotos von ihm machen.«
    »He, kannst du uns einen Gefallen tun und uns zusammen mit ihm fotografieren? Bitte. Er ist eine Legende.«
    »Ich weiß. Er ist unglaublich.

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