Der Duft der Mondblume
Eben meinte er noch, niemand interessiere sich mehr für ihn.«
»Da liegt er falsch. Du kennst ihn gut?«, fragte der blonde Surfer sichtlich beeindruckt.
»Ja«, sagte Catherine. »Los. Machen wir euer Foto, bevor er zu müde wird.«
»Die Jungs hätten gerne einen Abzug davon.«
»Das lässt sich machen«, versprach Catherine.
Sie machte eine gestellte Aufnahme von der Gruppe. Dann gingen sie zur Kaimauer, denn Lesters Beine waren müde geworden. Den Stock in der Hand, setzte er sich auf eine Bank, und die Jungs versammelten sich um ihn.
Catherine hätte das Gespräch gern auf Band mitgeschnitten. Die Jungs hatten hundert Fragen, wobei sie nur Bahnhof verstand. Es ging um das Design von Finnen, um Gewichte, Formen, gute Plätze und Brecher, die Pipeline, die Wellen am Nordstrand.
»Warte bis zum Winter, wenn die großen Wellen kommen«, sagte Lester zu Catherine. »Dann wirst du verstehen, was Surfen ist. Diese Jungs hier surfen alle gern, aber im Winter am Nordstrand zeigt sich, aus welchem Holz man ist. In die Winterwellen wagen sich nur die wilden Wellenjäger.«
»Schwimmst du noch, Lester?«, fragte der junge Hawaiianer.
Lesters Gesicht verdüsterte sich. Er hatte die Bewunderung der jungen Surfer genossen, ihre Leidenschaft, ihre gegenseitige Verbundenheit. »Ich komm auf diesen alten Beinen nicht hoch. Ich schwimme im Pool in meiner Wohnanlage.«
»Und wie wär’s mal mit Surfen? Das Meer ist momentan ruhig, ich könnte dich auf einem von den alten großen Brettern mit nach draußen nehmen. Was meinst du, Lester?«, erbot sich der blonde Surfer mit einem gewinnenden Lächeln. »Nur im Liegen, auf ein paar Brandungswellen.«
»Das können wir gerne mal machen, junger Mann.«
Catherine merkte, dass Lesters Kräfte nachließen. »He, Lester, es wird Zeit, dass wir uns auf den Weg machen.« Sie wandte sich an die Surfer. »Wie kann ich euch Abzüge von den Fotos zukommen lassen, falls sie etwas geworden sind?« Sie kramte in ihrer Handtasche nach Stift und Papier.
Der blonde Surfer schrieb ihr seine Telefonnummer auf. »Ich bin PJ . Und ich hab’s ernst gemeint. Ich wäre glücklich, wenn ich ihn mal mit raus aufs Meer nehmen könnte. Irgendwo, wo es ruhig ist, keine Leute, nichts Gefährliches. Er muss es sehr vermissen.«
Zuvor hatte Catherine ihm nicht abgenommen, dass er meinte, was er sagte. Aber als sie PJ jetzt in die Augen sah, erkannte sie, dass er begriff, was mit Lester los war, und dass er ihm aufrichtig helfen wollte. Betroffen erkannte sie, dass PJ dem jungen Lester ein wenig ähnelte: etwa dieselbe Größe und glatte goldfarbene Haut, sonnengebleichtes Haar, himmelblaue Augen und ein ernstes Lächeln. Die Augenbrauen salzverkrustet, Salz auch auf den Schultern. Er sah sie an und wartete auf ihre Antwort.
»Ich ruf dich an.« Sie hob ihre Kameratasche auf und nahm Lesters Arm.
Damien tippte Catherine auf die Schulter. »Du, es wäre so cool, ein Foto mit uns und diesem tollen Typen zu haben. Ich zahl auch was dafür.«
»Ist schon okay, schließlich habt ihr mir einen Gefallen getan. Ich glaube, ich hab das Bild, das ich wollte. Sobald die Abzüge fertig sind, sag ich PJ Bescheid.«
»Super. Man sieht sich, Cathy.«
Während sie Lester auf dem Weg zurück zum Club stützte, musste sie lächeln. Damien war ein typischer Aussie, er musste alles abkürzen. Bradley fand diese Eigenart ärgerlich, aber Catherine erinnerte sie an ihre Heimat.
In der Dunkelkammer des College hielten Catherine und Paul die Negative in den Schein des Rotlichts. Catherine wusste, welche Aufnahme von Lester ihr am besten gefiel: Den Kopf zurückgeworfen und einen Arm ausgestreckt, deutete er aufs Meer hinaus. Es war beinahe eine religiöse Handlung, während sich seine Bewunderer wie Jünger um ihn sammelten. Die Surfbretter, ein Stück Strand und der Gipfel des Diamond Head im Hintergrund, der Ausdruck auf den Gesichtern der Jungs und Lesters ausdrucksvolles Profil in der Mitte – das Bild erzählte eine Geschichte.
»Ich nenne es
Wachablösung.
Oder
Wellenjäger.
Vielleicht auch
Der Alte Mann, das Meer und die Wellenjäger.
Ach, mir werden noch ein paar Titel einfallen.«
»Ein tolles Bild. Man spürt, er ist ein großer alter Mann, immer noch ungebrochen und eine starke Persönlichkeit. Du hast den Bogen raus, Catherine«, meinte Paul.
Nachdem sie von den Bildern mit Lester mehrere Abzüge gemacht hatte, ging sie zu Vince in die Redaktion und zeigte sie ihm.
»Phantastisch, Catherine. Das
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