Der Duft der Mondblume
Aufnahmen von Bradley in seiner schneidigen weißen Marineuniform, mit Sonnenbrille und Mütze, hinter ihm der Schatten eines großen Kriegsschiffs, gefielen ihr sehr gut. Der Poller mit dem dicken Tau am Kai neben Bradleys weißen, makellosen Schuhen war eine gelungene Kontraststudie.
Sie fotografierte Kiann’e in einem Sarong mit Lei, wie sie mit langem wehendem Haar am Strand vor dem Haus ihrer Tante tanzt – eine Gegenlichtaufnahme bei Sonnenuntergang. Es waren wunderschöne Bilder, aber die Bildidee war nicht gerade originell. Catherine machte auch Aufnahmen während des Abendessens, zu dem Tante Lani sie danach eingeladen hatte, von der Familie, Besuchern und Verwandten, die hereingeschneit waren. Und einen Schnappschuss von der fröhlichen Hawaiianerin, wie sie Essen auf Teller häufte, während ein kleines Mädchen an ihrem Muumuu zerrte.
Bradley hatte sich unterdessen für einen Fortbildungskurs in der Verwaltung eingeschrieben. »Ich dachte, wenn du einige Abende in der Woche außer Haus bist, wirst du nichts dagegen haben, wenn ich diesen Kurs mache. Er endet, bevor ich fort muss, und ist nicht gerade karrierehinderlich.«
Und so aß Catherine, während Bradley in einem Unterrichtsraum auf der Marinebasis saß, zusammen mit Kiann’e bei Tante Lani zu Abend, trug Teller hinein und half beim Spülen.
»Du gehörst jetzt schon fast zur Familie«, meinte die Tante. »Da, nimm das übriggebliebene Curryhuhn für deinen Mann mit nach Hause.«
»Danke, Tante Lani. Das wird ihm schmecken. Er geht nach der Arbeit immer schnurstracks zu seinem Kurs, da hat er bestimmt einen Bärenhunger«, sagte Catherine.
»Wie geht’s mit dem Fotografieren?«, fragte Onkel Henry.
»Gut. Ich schau mich gerade nach Leuten um, die ich fotografieren könnte. Der Sieger in unserem Fotowettbewerb gewinnt eine Reise nach Kauai, und ich würde unheimlich gern noch einmal hinfahren.«
»Prima, du weißt, dass du jederzeit bei Beatrice wohnen kannst. Mach ein paar Fotos am Po’ipu-Strand. Von den niedlichen, süßen Surfern dort«, gluckste Tante Lani. »Aber sag, was ist mit Lester? Er ist immer noch ein gutaussehender Mann. Als er hier ankam, waren alle Mädchen verrückt nach ihm.«
»Du kennst ihn schon so lange?«
»Ich habe ihn in seinen Dreißigern kennengelernt. Damals war ich noch sehr jung und er bereits eine Legende. Er gehörte zu den Leuten, die beim Outrigger Canoe Club herumhingen. Aber er hat auch auf Kauai viel Zeit verbracht. Doch das ist eine andere Geschichte.«
»Hat er dort Eleanor kennengelernt? Sie müssen gut befreundet sein, wo sie ihn doch in ihrem Apartment wohnen lässt«, sagte Catherine.
Doch Tante Lani antwortete nicht und betätigte sich stattdessen in der Küche.
»Hat Lester für Eleanor und ihren Mann im Palm Grove gearbeitet? Was für eine Beziehung hatten sie zueinander?«, hakte Catherine nach. Sie war neugierig geworden.
»Kann ich nicht sagen«, erwiderte Tante Lani. »Das geht uns nichts an. Lester ist ein guter Mann. Da, und komm bald wieder.« Sie reichte Catherine das Huhn für zu Hause.
Am nächsten Morgen stellte Catherine Kiann’e die gleichen Fragen über Lester, Eleanor und Ed.
»Wer weiß, was da war? Allerdings muss da etwas gewesen sein, denn Eleanor hat nur ausweichend geantwortet, als ich sie darauf ansprach«, sagte Kiann’e. »Egal, wenn du Lester porträtieren willst, sprich mit ihm über sein Leben. In alten Zeitungen ist vermutlich auch eine Menge über ihn zu finden, er war ein echter Meister, auch im Entwerfen von Boards, und er hat das Surfen als Sport bekannt gemacht.«
Lester freute sich gleichermaßen über Catherines Idee, ihn zu porträtieren, wie über den damit verbundenen Ausflug. Sie versprach, ihn am Donnerstagnachmittag abzuholen. Vorher stattete sie der Bibliothekarin im Archiv des
Honolulu Advertiser
einen Besuch ab, die ihr bereitwillig mehr als fünfzig Jahre alte Zeitungsartikel über Lester heraussuchte. Catherine saß in dem kleinen Lesesaal des
Advertiser
zwischen Aktenschränken und Regalen voller Ordner mit vergilbten Zeitungsausschnitten und alten Pressefotos. Aber es musste ein System in diesem Chaos geben, denn tatsächlich brachte ihr die freundliche Bibliothekarin einen Ordner mit Lesters Namen darauf.
»Wir fangen gerade an, die Sachen auf Microfiche zu erfassen, bevor die alten Zeitungsblätter zu Staub zerfallen«, sagte sie. »Es könnte auch noch altes Wochenschau-Material und frühe Fernsehbilder geben, aber dafür
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