Der Duft der Rose
das Leben zu nehmen.
Die Comtesse sprang auf und lief zum Fenster. Nicholas lehnte sich zurück und wartete. Ekel stieg in ihm auf und schnürte ihm die Kehle zu. Wie tief war er gesunken, dass er sich zu einer Erpressung hinreißen ließ? Wenn sie ihm die Tür wies, würde er dem Chevalier de Rossac natürlich trotzdem nichts von dem Vorfall an der Wiege berichten. Aber das wusste die Comtesse nicht. Und im Grunde war dieser Umstand seine letzte und einzige Chance.
Sie kam zurück und setzte sich wieder. Ihre Blicke durchbohrten ihn. »Ich bin noch nie in meinem Leben erpresst worden. Seid Ihr so verzweifelt, oder seid Ihr so skrupellos?«
»Die Frage könnte ich zurückgeben.« Zufrieden sah er, wie sich auf ihren Wangen hektische rote Flecken bildeten. Die Zeichen standen gut, dass sie auf seine Drohung einging. »Manchmal lassen einem die Umstände keine Wahl«, versicherte er. »Ich will Euch nichts Böses, Madame la Comtesse. Ich suche einfach nur eine Anstellung. Glaubt mir, Ihr werdet es nicht bereuen.«
Sie saß so steif auf dem Stuhl, als wäre ihre Wirbelsäule an einen Eisenstab geschmiedet. Ihre Blicke nagelten ihn auf seinem Platz fest und gaben ihm das Gefühl, nichts weiter als ein schleimiges Insekt unter ihrem hochhackigen Schuh zu sein.
Er rutschte auf seinem Stuhl herum, ärgerlich, dass sie ihn zu einem solchen Gedanken und einer solchen Handlungsweise provozieren konnte. »Ein Jahr. Ich arbeite ein Jahr hier als Euer Verwalter und verspreche, Euch in allen Belangen zu unterstützen. Dann stellt Ihr mir ein Empfehlungsschreiben aus, und Ihr seht mich nicht wieder. Genauso wenig, wie der Chevalier de Rossac jemals von der unerfreulichen Begebenheit an der Wiege seines Sohnes erfahren wird.«
Sie sah ihn schweigend an. Das Ganze gefiel ihr nicht. Dass es ihm nicht anders ging, ahnte sie nicht. Die Minuten verrannen in eisiger Stille.
Ohne den Blick von ihm zu wenden, schlang die Comtesse die Finger ineinander. »Ein Jahr. Und in diesem Jahr kann ich mir Eurer bedingungslosen Loyalität und Unterstützung all meiner Pläne sicher sein.«
Er erhob sich und legte die Hand auf sein Herz. »Ich gebe Euch mein Wort.«
Ohne ihn anzusehen, griff sie wieder nach der Feder, die vor ihr lag. »Das Wort eines gemeinen Erpressers. Wie rührend.« Sie schrieb etwas auf ein Blatt und reichte es ihm. »Gebt das Charles Mournier, meinem Kammerdiener, er führt Euch zum Verwalterhaus. Sollte der Hausrat nicht nach Eurem Geschmack sein, könnt Ihr Euch neu einrichten.« Er versuchte, sein Erstaunen zu verbergen, was ihm ganz offensichtlich nicht gelang, denn die Comtesse setzte kühl hinzu: »Nicht einmal ein Sträfling sollte in dreißig Jahre alten Sachen hausen müssen. Es ist keine Gefälligkeit. Euer Nachfolger wird es zu schätzen wissen.«
Nachdem die Tür hinter Nicholas Levec ins Schloss gefallen war, legte Ghislaine die Feder weg und vergrub das Gesicht in den Händen. Es war also kein Traum gewesen und keine Einbildung, so sehr sie den Vorfall auch aus ihrem Bewusstsein drängen wollte. Sie hatte tatsächlich versucht, Troys Sohn zu töten. Und dieser Mann hatte sie dabei nicht nur beobachtet, sondern hatte verhindert, dass es zum Äußersten gekommen war. Dass sie zur Mörderin wurde.
Seid Ihr so verzweifelt oder so skrupellos?
Ja, diese Frage galt auch für sie. Sie war so verzweifelt gewesen, so unglücklich, dass sie beinahe ein nicht wieder gutzumachendes Verbrechen begangen hätte. Nicholas Levec hatte nicht nur Justin de Rossac gerettet, sondern auch sie selbst.
Sie schlang die Arme um sich, als müsste sie sich festhalten. Diesen Mann umgab eine dunkle Aura, die ihn einhüllte wie ein Mantel. Noch bevor die fehlenden Empfehlungsschreiben zur Sprache gekommen waren, hatte sie den Impuls gehabt, ihn wegzuschicken. Etwas an ihm störte sie und löste ein derart massives Unbehagen in ihr aus, dass eine Zusammenarbeit mit ihm für sie völlig ausgeschlossen war.
Doch aufgrund seiner Erpressung musste sie sich jetzt das ganze nächste Jahr mit ihm arrangieren. Nicht einen Augenblick lang glaubte sie daran, dass er ihr jene Loyalität entgegenbringen würde, von der er gesprochen hatte. Dieser Mann buckelte nicht, und vermutlich ertrug er auch keinen Widerspruch. Das würde auch seine fehlenden Empfehlungsschreiben erklären - wenn er überall im Zank und Streit gegangen war.
Seufzend schraubte sie das Tintenglas zu. Wieder ein Problem mehr in ihrem Leben. Warum sollte auch plötzlich alles
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