Der Duft der Rose
nicht stand und keinen jener körperlichen Vorzüge betonte, die ihn bis in seine Träume verfolgten.
»Ich freue mich, dass Ihr Eure Pläne geändert habt, Monsieur Levec.« Sie reichte ihm die Hand wie ein Mann. Er griff danach und hielt sie länger fest als nötig. »Auf Plessis-Fertoc zu arbeiten stellt eine Herausforderung dar, wie ich sie schon lange gesucht habe.«
Ihre Augen blitzten auf, und ihre Lippen kräuselten sich leicht, ehe sie sich wieder unter Kontrolle hatte. »Schön, und ich kann Euch versichern, dass Ihr dieser Herausforderung in jeder Hinsicht gewachsen seid«, erwiderte sie völlig ernst.
Er ließ ihre Hand los, und sie ging zu einem anderen Tisch, auf dem ausgerollte Pläne lagen. Langsam folgte er ihr und betrachtete die akkuraten Zeichnungen. Das waren keine groben Entwürfe, sondern bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Baupläne. Ein Grundriss der beiden Geschosse war ebenso vorhanden wie Ansichten der Front. Sogar der Bedarf an Ziegeln, Holz und anderen Materialien war bereits errechnet worden.
»Wie alt sind die Pläne?«, fragte er, da ihm die bräunlich verfärbten Kanten der Blätter auffielen.
»Zwischen fünf und sieben Jahre.« Sie strich beinahe liebevoll über eine Ecke. »Immer, wenn ich neue Ideen hatte, ließ ich Didier Farigoule, den Baumeister, kommen, damit er sie niederschrieb. Allerdings weigerte sich Monsieur Marceau, auch nur darüber nachzudenken. Er tat, was er wollte, und akzeptierte keine Befehle von mir.«
»Warum habt Ihr ihn nicht entlassen?«
»Er stand schon bei Jacques' Vater im Dienst. Und es war kein Nachfolger in Sicht. Kein Mann, der eine Wahl hat, arbeitet unter einer Frau, wie Ihr am besten wisst.« Sie sah ihn an. »Abgesehen davon war mir klar, dass ich nur abwarten musste, bis ihm seine zunehmenden Gebrechen so zu schaffen machten, dass er zu seiner Tochter zog. Damit war die Suche nach einem neuen Verwalter ohnehin unausweichlich.«
Nicholas enthielt sich einer Antwort und betrachtete weiter die Pläne.
»Darüber hinaus ist es völlig gleichgültig, wie alt die Pläne sind. Das dafür vorgesehene Grundstück ist unbebaut, darauf habe ich all die Jahre geachtet. Ohne meine Einwilligung konnte Monsieur Marceau keine neuen Gebäude errichten. Wollt Ihr es Euch anschauen?« Ihr Eifer war unübersehbar.
Er nickte. »Ich hole mein Pferd.«
»Nicht nötig. Ihr könnt eines aus den Stallungen nehmen.« Sie raffte die Röcke und lief zur Tür. »Ich brauche nur meine Reitstiefel, dann komme ich nach. Sagt dem Stalljungen, er soll Hermes satteln, und sucht für Euch selbst ein Pferd aus. Bis auf Diabolo könnt Ihr wählen, welches Euch gefällt.«
Diabolo war das Pferd des Grafen, erinnerte sich Nicholas, während er sich auf den Weg zu den Stallungen machte und Ghislaines Befehl an die dort herumlungernden Knechte weitergab. Er ging an den abgeteilten Stellplätzen vorbei und wählte schließlich einen großen braunen Hengst über dessen Heukorb der Name »Timon« angebracht war. Ohne sich von den Knechten helfen zu lassen, sattelte er das Pferd und führte es auf den Hof.
Ghislaine saß bereits im Damensattel auf einem Schimmel. Sie hatte sich nicht umgezogen und trug auch keinen Hut, nur Handschuhe und schwarze Stiefel. Ihr Gesicht war vor Aufregung gerötet. Sie nickte ihm zu und trieb das Pferd an. Ihre Haltung war tadellos, wie er nicht umhin kam zu bemerken.
»Es ist nicht weit, keine Viertelstunde, wenn wir querfeldein reiten«, teilte sie ihm mit, sobald sie das Schloss hinter sich ließen. »Das Stück Land liegt leider etwas abseits. Es wird also notwendig sein, eine Zufahrt zu errichten, ehe mit dem Bau begonnen werden kann. Aber sonst ist es perfekt. Es liegt an einem Fluss, was wichtig ist, um die Seife herzustellen zu können. Und die Zufahrt kann von der Straße nach Saint Aurol abzweigen. Damit können wir sowohl die Rohstoffe auf kurzem Weg erhalten, als auch die fertige Seife rasch ausliefern.«
Sie baute keine Luftschlösser, sondern hatte sich bereits über alles Gedanken gemacht. Diese Zielstrebigkeit gefiel ihm, aber ehe er etwas antworten konnte, trieb sie das Pferd zu einer schnelleren Gangart an. Er folgte ihr und beugte sich über den Hals des Hengstes, als dieser in gestrecktem Galopp über die Wiesen flog.
Der Schimmel nahm die niedrigen Hecken mit einer Selbstverständlichkeit, als existierten sie gar nicht. Und ebenso selbstverständlich hielt sich Ghislaine sicher und elegant im Sattel. Nach der versprochenen
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