Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
Vom Netzwerk:
sie wegen der Wetterverhältnisse gar nicht so unangenehm fand. Nur hin und wieder durfte sie in Nancys oder Ebens Begleitung an Deck, wo sie den kalten Ozean unter sich und die Gischt im Gesicht spürte. Wenn Nancy allein hinaufging, schloss sie die Tür der Kajüte ab.
    Die übrigen Passagiere waren nicht sehr neugierig. Eben beschrieb sie ihr: ein jung verheiratetes Paar, das jedes Mal errötete, wenn er den beiden begegnete; ein Ehepaar mittleren Alters, das offenbar in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und sich nicht damit abfinden mochte; ein Kaufmann auf Geschäftsreise. Also erregten Nancy, Eben und Ella kein übermäßiges Interesse, bis auf die üblichen Fragen, woher sie kämen und wohin sie wollten. Für die Antworten war Nancy zuständig. Sie führen nach Sydney, wo sie wohnten, sagte sie. Ihr finsterer Blick sorgte dafür, dass die meisten nicht nachhakten. Nur die verarmte Ehefrau machte eine Ausnahme.
    »Haben Sie Familie in Sydney?«, erkundigte sie sich mit einem nervösen Lachen bei Nancy. »Sicher werden Sie schon von ihrem Ehemann erwartet. Und Ihre Schwester ist so hübsch. Vermutlich sehnt sich die dortige Männerwelt nach ihrer Rückkehr.«
    Die Frau führte sich albern auf. Dennoch hatte Ella tiefes Mitleid mit ihr, als Nancy sie hämisch angrinste. »Ich betreibe ein Bordell, und meine Schwester ist meine jüngste Neuerwerbung. Was die Männerwelt angeht, haben Sie vermutlich recht.«
    Die Frau starrte Ella schockiert und sprachlos an und wich zurück. Die restliche Fahrt wechselte sie kein Wort mehr mit ihnen und wandte sich ab, wenn sie ihnen über den Weg lief.
    Tagsüber war es erträglich, doch Ella graute vor den Nächten, wenn sie mit Nancy in der Kajüte allein war. Nancy hatte nämlich Vergnügen daran, sie zu quälen, nicht körperlich, denn dazu war sie zu klug. Stattdessen benutzte sie Worte, um Ella das Leben zur Hölle zu machen.
    »Ich erzähle dir eine Gutenachtgeschichte«, begann sie für gewöhnlich. Und dann fing sie an, über Ella zu reden. Ella war fest entschlossen, weder zuzuhören noch zu antworten, in der Hoffnung, dass es Nancy irgendwann zu langweilig werden würde.
    »Dich hat er nie gewollt«, höhnte Nancy eines Abends. »Niemals. Ich bin es, von der er in den Nächten träumt. Von mir, San Francisco und der Hafenkneipe. Damals war er mein Mann. Er wollte mich zufriedenstellen und, oh ja, das hat er getan.«
    Obwohl Ella sich geschworen hatte, nicht auf Nancys Sticheleien einzugehen, konnte sie nicht mehr an sich halten, und die Worte sprudelten aus ihr heraus und in die Dunkelheit, wo Nancy lag.
    »Träume?«, höhnte sie. »Er träumt nicht von dir, sondern hat Albträume! Deinetwegen hat er einen Mann getötet. Das hat er mir selbst gesagt. Und deshalb hasst er dich. Er hat dich damals gehasst, und er hasst dich bis heute.«
    Wellen schlugen gegen den Rumpf des Schiffes, und der Schoner ächzte eher wie eine alte Frau als wie das hübsche Mädchen, nach dem er benannt war. Ein Seemann lief geschäftig über das Deck. Aber Ella nahm nichts wahr außer Nancys Schweigen.
    »Du hast Angst«, meinte Nancy schließlich mit leiser, fast sanfter Stimme. »Doch du verstehst gar nichts. Du hältst das, was er für dich empfindet, für Liebe. Doch deine Liebe ist nichts weiter als verdünnter Brandy. Seine Gefühle für mich sind ganz anders, glaube mir. Sie sind so stark, dass sie manchmal an Hass grenzen. Und dennoch ist es Liebe.«
    Diesmal erwiderte Ella nichts, und es blieb still. Es ist nicht wahr, dachte sie. Als er mich in den Armen gehalten und mich geliebt hat, war etwas Wundervolles zwischen uns. Er liebt sie nicht. Er kann sie einfach nicht lieben.
    Trotzdem hatten Nancy Ures Worte sie verletzt und in Furcht versetzt. Sie wurde sie nicht mehr los. Immer wenn sie an Adam dachte, dachte sie auch an Nancy.
    Sie war an einem dunklen Ort.
    Nicht im Tannenwald, sondern in dem langen, schmalen Gang mit dem rot, grün und schwarz gemusterten Teppich. Er fühlte sich samtweich unter ihren Füßen an, konnte sie aber nicht trösten. Aus der Tür vor ihr schimmerte Licht, und die Stimmen raunten und summten.
    Sangen sie?
    Sie war auf Lochlyn. Ollie war geschäftlich im Süden gewesen, allerdings inzwischen zurück, um seine Abreise nach Sydney vorzubereiten. Sie hatte geschlafen, war aus irgendeinem Grund aufgewacht und hatte Geräusche gehört. Das Haus war dunkel. Bis auf das Licht, das aus der Tür schien.
    Sie ging weiter.
    Worüber redeten sie? Sie sehnte

Weitere Kostenlose Bücher