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Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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ließ.
    »Was redest du da, Frau?«, fragte Ollie drohend. »Bist du nicht mehr ganz richtig im Kopf?«
    Aber Ella starrte ihn nur an und stellte fest, dass er ganz blass wurde.
    Langsam glitt der Schoner Fair Maid durch den schmalen Kanal in Richtung der Hafeneinfahrt und dann aufs offene Meer hinaus. Der graue Himmel verhieß keine ruhige Fahrt, doch die See war reglos und starr. Möwen flatterten umher und suchten im aufgewühlten Kielwasser nach Fischen. Der Kapitän befahl, ein weiteres Segel zu setzen, um auch den schwächsten Lufthauch aufzufangen und ihre Reise zu beschleunigen.
    Die Fair Maid gehörte zu den Handelsschiffen, die regelmäßig zwischen Melbourne und Sydney pendelten. Gerade war eine Ladung, bestehend aus Zedernholz und Wein, gelöscht worden. Das Schiff wog fünfundsechzig Tonnen und beförderte auch Passagiere sowie hin und wieder einen Sträfling, der in Sydney vor Gericht gestellt werden sollte.
    Eben, Nancy und Ella waren sofort an Bord gegangen und hatten nur haltgemacht, um ihr Gepäck zu holen und Ella in eines von Nancys Kleidern zu stecken.
    »Du bist meine Schwester«, hatte Nancy sie angewiesen. »Und Eben ist unser Bruder. Kannst du dir das merken?«
    Als Ella nicht antwortete, näherte sich Nancys Gesicht bedrohlich dem ihren.
    »Es ist noch nicht zu spät, die Polizei zu informieren«, raunte sie.
    Also hatte Ella genickt und war ihnen lammfromm gefolgt.
    Nancy und Ella teilten sich eine Kajüte mit zwei Kojen, die gerade genug Platz bot, um sich umzudrehen. Eben schlief an Deck. Sich als Geschwister auszugeben war eigentlich überflüssig, denn niemand kümmerte sich um sie. Außerdem sorgte Nancy dafür, dass Ella die Kajüte so selten wie möglich verließ.
    Der Kapitän war ein kräftig gebauter Mann mit einem schwarzen Schnurrbart, der an einen Pinsel erinnerte. Seine Besatzung schien ihn zu fürchten, denn sie arbeitete tüchtig und lautlos. Vielleicht war es auch diese Furcht, die sie an Bord des Schoners gehalten hatte, während so viele andere Matrosen desertierten, um zu den Goldfeldern zu ziehen. Ella hatte verlassene Schiffe gesehen, die nutzlos in der Bucht trieben. Es waren Klipper, Kutter, Walfänger und sogar Dampfer dabei gewesen.
    Vor ihnen erstreckte sich still und reglos die Einfahrt in die Port Philip Bay, die den Namen The Rip trug. Ella konnte kaum glauben, dass viele Schiffe, die von weit her kamen, hier so kurz vor ihrem Ziel havarierten. Doch Nancy hatte ihr erklärt, The Rip könne sehr gefährlich sein.
    »Wenn die Flut kommt, trägt sie das Schiff manchmal gegen die Felsen, ohne dass die Mannschaft etwas dagegen tun kann«, verkündete sie genüsslich. »Die Riffe unter der Wasseroberfläche sind scharf wie Haifischzähne und reißen dem Schiff den Boden auf.«
    Ella wusste, dass Nancy ihr nur Angst machen wollte. Doch als sie nun über The Rip hinaus aufs offene Meer blickte, musste sie wieder an ihre Worte denken.
    Deshalb wandte sie sich ab und schaute in die andere Richtung, wo Melbourne in seinem Traum vom Gold ertrank. Adam war dort, und es brach ihr fast das Herz, während der kalte Wind ihre Tränen trocknete. Hätte sie sich heftiger zur Wehr setzen und nicht auf Nancys Drohungen achten sollen, um bei Adam bleiben zu können? Allerdings war Nancy ein Mensch, mit dem man rechnen musste. Ihr war alles zuzutrauen.
    Ella malte sich aus, wie Adam zu sich kam und feststellte, dass sie verschwunden war. Er würde sie suchen, und seine Suche würde ihn zum Hafen und zur Fair Maid führen. Und bis dahin würde Ella weit fort sein.
    Adam musste drei Tage warten, bis er ihr folgen konnte.
    »Dann bin ich schon bei meinem Mann«, flüsterte Ella in den salzigen Wind hinein.
    Ollie McLeod. Warum konnte sie sich nicht an ihn erinnern? Worüber hatten sie sich auf Lochlyn gestritten? Warum war sie fortgelaufen? Weshalb war er abgereist und nach Sydney zurückgekehrt, bevor man sie gefunden hatte? Aus welchem Grund hatte er Aufsehen vermeiden wollen? Jeder andere Ehemann hätte doch alle Hebel in Bewegung gesetzt. Es gab so viele offene Fragen. Seit sie etwas über ihre Vergangenheit in Erfahrung gebracht hatte, waren es sogar noch mehr geworden. Unbehagen ergriff sie und zerrte an ihr wie die frische Brise an ihrem Haar.
    Bald werde ich alles wissen, dachte sie.
    * * *
    Sie machten gute Fahrt. Der düstere Himmel war Vorbote heftiger Winde gewesen, die die Fair Maid die Küste hinauftrieben wie einen eleganten Vogel. Ella musste in der Kajüte bleiben, was

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