Der Duft der roten Akazie
sich verzweifelt danach, es zu verstehen. Gleichzeitig fürchtete sie sich. Ihr war flau im Magen, und ihre Handflächen waren schweißnass.
Geheimnisse …
Eben war Ella weitaus lieber als Nancy. Er sprach zwar kaum mit ihr, drohte ihr jedoch wenigstens nicht. Allerdings machte Ella sich nicht vor, dass Eben ihr Freund sei. Er war ebenfalls gefährlich, konnte Nancy, was die Bösartigkeit anging, aber nicht das Wasser reichen.
Als sie eines Morgens mit ihm an Deck war, beschloss sie, ihm einige Fragen zu stellen, die sie quälten, seit sie ihre wahre Identität kannte.
»Haben die Leute auf Lochlyn erklärt, warum ich weggelaufen bin?«
Eben lehnte sich an die Reling und betrachtete sie mit halb geschlossenen Augen.
»Ich kann mich wirklich nicht erinnern«, fuhr sie mit sanfter Stimme fort, um an sein Mitgefühl zu appellieren. »Das macht es mir ziemlich schwer.«
»Zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Ollie will dich offenbar unbedingt zurückhaben. Sonst hätte er keine so hohe Belohnung angeboten. Von Adam verraten wir ihm nichts. Er wird es nie erfahren.«
Ella biss sich auf die Lippe. Allein Adams Namen zu hören löste tiefe Sehnsucht in ihr aus. Eben hingegen glaubte, sie mache sich Sorgen um ihren guten Ruf. Er rückte näher an sie heran.
»Wenn Ollie McLeod wüsste, dass seine Frau mit einem anderen Mann zusammen war, würde er den Kerl kastrieren lassen. Ich möchte nicht, dass meinem Bruder etwas zustößt. Du vielleicht?«
»Natürlich nicht«, entgegnete sie erschüttert.
Er musterte sie eine Weile und bedachte sie mit seinem wölfischen Grinsen. »Adam war sicher nicht erfreut, als er aufgewacht ist und feststellen musste, dass du verschwunden bist. Hat er wirklich geglaubt, er könnte Ollie McLeod die Frau ausspannen?«
Ella schwieg und starrte an ihm vorbei. Heute war die Sicht zur Küste und den Bergen im Landesinneren frei.
»Erzähl mir von Ollie McLeod«, flehte sie.
»Was soll ich denn erzählen?«
»Irgendetwas. Du weißt mehr als ich. Sicher kannst du mir sagen, warum ich seine Frau geworden bin. Hast du auf Lochlyn keine Fragen gestellt? Adam ahnte nicht einmal, dass er verheiratet ist.«
Sie sah ihm ins Gesicht, sodass er sich plötzlich verlegen abwandte. »Ollie ist vor etwa fünfundzwanzig Jahren nach Neusüdwales gekommen und hat seitdem die Zeit genutzt, sich bis nach ganz oben hochzuarbeiten. Die Hochzeit fand statt, als Adam und ich im Ausland waren. Ollie ist nach Schottland gefahren, um Zuchtpferde für seine Stallungen zu kaufen, und hat dabei auch eine Frau gefunden. Er hatte sich bereits seit einer Weile in Sydney umgeschaut, aber nichts Passendes entdeckt. Er verlangte, dass seine Frau nicht nur schön, sondern auch kultiviert sein sollte. Also hat er sich eine Dame gesucht. Ja, eine richtige Dame.«
Ella wusste nicht, ob sie sich geschmeichelt fühlen oder sich vor seinem Blick fürchten sollte.
»Also ist er nicht mehr jung.«
»Nein, nicht so jung wie Adam«, räumte Eben ein. »Aber noch gut bei Kräften. Er betreibt seine Geschäfte selbst, und es heißt, dass er kaum schläft. Und selbst dann hat er immer ein Auge offen.«
»Warum hat er mich auf Lochlyn zurückgelassen? Das verstehe ich nicht. Mir kommt das wie eine Strafe vor.«
»Nun«, Eben räusperte sich und schaute aufs Meer hinaus.
»Was ist passiert?«, beharrte Ella.
»Da war ein Kind«, antwortete Eben mit unbehaglicher Miene.
Ella spürte, wie sie erstarrte, und es schnürte ihr die Kehle zu, sodass ihre Stimme rau und gepresst klang. »Ich habe ein Kind?« Aber Eben schüttelte den Kopf. »Nein. Es wurde zu früh geboren und ist gestorben. Danach warst du krank. Auf Lochlyn haben sie behauptet, du seist ein bisschen merkwürdig geworden – im Kopf und so. Der Arzt habe dir Urlaub verordnet. Deshalb hat Ollie dich mit nach Süden genommen, weil er ohnehin seine Güter besuchen wollte.«
Tränen traten ihr in die Augen, und sie versuchte zu begreifen, was Eben ihr gerade berichtet hatte. Ollie McLeod hatte sie mehr oder weniger gekauft wie eines seiner Pferde. Sie hatte ein Kind verloren. Sie war so krank gewesen, dass man sie für verrückt erklärt hatte. Ella erinnerte sich an ihre Fahrt mit Adam nach Norden, an die Strapazen und an die ungehobelten Menschen. Stolz ergriff sie.
Ich habe mich verändert, dachte sie. Ich bin nicht mehr die Frau, die sich an Ollie McLeod hat verkaufen lassen. Und diesmal werde ich mich gegen ihn wehren.
Sie bemerkte, dass Eben sie beobachtete und
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