Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
Vom Netzwerk:
von ihnen seinen Hut, als sie an ihr vorbeikamen.
    »Mrs McLeod«, begrüßte er sie respektvoll. Doch in seinen Augen lag etwas Bösartiges.
    Sydney erstreckte sich weit in alle Richtungen. Auf den Hügeln und in den Tälern standen weiße Häuser inmitten von Grünflächen. Hohe Amtsgebäude überragten Geschäfts- und Wohnhäuser. Fahnen wehten, und Trommelwirbel hallten über das Wasser. Schiffe lagen vor Anker oder wurden am geschäftigen Hafen entladen.
    Als sie näher kamen, stellte Ella fest, dass sich am Circular Quai im Schatten der Lagerhäuser die Menschen drängten. Eine launische Sonne tauchte die Stadt in ein schmeichelhaftes Licht. Selbst der schartige, von Häusern dicht besetzte Grat, der den Namen The Rocks trug, wirkte wie ein altmodisches Fischerdorf. Einige Häuser standen so gefährlich nah am Abgrund, dass es aussah, als würden sie jeden Moment ins Wasser fallen.
    Nancy stand neben Ella und starrte geradeaus. Auf ihrer anderen Seite zündete Eben sich genießerisch eine Zigarre an. Auf der Fahrt von Melbourne hatte Ella Zeit gehabt, sich an einige Dinge zu gewöhnen. Sie war Ollie McLeods Frau, und sie hatte eine Tragödie durchlebt. Obwohl sie sich nicht daran erinnern konnte, hatte sie sich damit abgefunden. Nun konnte sie in die Zukunft schauen und sich mit ihrer derzeitigen misslichen Lage befassen.
    Am Anlegesteg versuchte ein Junge, ein Pferd zu bändigen. Das Tier war unruhig, tänzelte auf mageren Beinen hin und her und rollte mit den Augen. Ella spürte, wie sich vor Mitgefühl etwas in ihr verspannte. Und gleichzeitig war da bange Erwartung wie eine zusammengerollte Sprungfeder.
    Ich komme nach Hause, sagte sie sich. Irgendwo dort drüben ist Ollie McLeod, und bald werde ich ihm gegenübertreten. Und ich bin bereit.
    Als Nancy sie am Arm packte, wurde ihr klar, dass sie gleich von Bord gehen würden. Ihr Gepäck war bereits in ein Boot verladen worden. Nancy, Ella und Eben folgten. Über ihnen standen die anderen Passagiere an der Reling und blickten ihnen nach, teils fragend, teils erleichtert.
    Das kleine Boot glitt über silbriges Wasser, das so glatt war wie poliertes Glas. Rund um sie herum waren andere Boote verschiedenster Größe in Bewegung. Leichter brachten Waren von größeren Schiffen an Land, während kleine Dampfer hin und her tuckerten. Einwandererschiffe schaukelten sanft am Dawes Point. Die Passagiere waren bereits nach Sydney ausgeschwärmt und inzwischen vermutlich auf dem Weg zu den Goldfeldern.
    Nun, so nah am Ziel, wurden Nancy und Eben nervös. Ella bemerkte, dass sie sie beobachteten und miteinander tuschelten, damit sie sie nicht verstehen konnte. Wahrscheinlich hätte sie sich fürchten sollen, doch sie glaubte nicht, dass sie ihr etwas antun würden. Dafür waren sie viel zu sehr auf die Belohnung erpicht.
    An Land angekommen, hielt Eben eine Droschke an, und sie fuhren die George Street hinunter. Trotz ihrer Angst sah Ella sich neugierig um. Die George Street war belebt, und es herrschte ein geschäftiges Treiben. Die Straße wurde von Gasthöfen, Schankwirtschaften, Läden und Kontoren gesäumt. Die Gebäude bestanden aus Stein und Holz, und manche verfügten über eine reich verzierte Veranda. Wie in Melbourne waren die Spuren des Goldrauschs überall zu erkennen. In den Schaufenstern lagen die gleichen Utensilien zum Goldschürfen und Häufchen aus Goldklumpen, und Goldgräber stolzierten in ihren typischen Baumwollhosen und roten Wollhemden umher.
    Eben stand zu sehr unter Anspannung, um seine Umgebung zur Kenntnis zu nehmen. Das merkte man an den vielen unruhigen Bewegungen, die er ständig wiederholte. Er rückte seinen Gürtel zurecht, zupfte an seinen Ärmeln und kratzte sich an der Nase. Nancy beobachtete ihn schweigend. Verachtung malte sich in ihren schwarzen Augen.
    Sie liebt ihn nicht, dachte Ella. Sie benutzt ihn nur für ihre Zwecke. Sicher weiß er das und hofft, dass er sie irgendwann für sich gewinnen kann, wenn er tut, was sie verlangt. Aber das glaube ich nicht. Nancy Ure hat keine Spur von Wärme oder Mitgefühl, und sie kennt auch keine Dankbarkeit. Adam hatte recht. Sie saugt ihre Mitmenschen aus, bis nichts Gutes mehr in ihnen übrig ist.
    Die Droschke bog in eine schmale Straße ein, die in einem Labyrinth aus Gassen mündete. Ella hielt den Atem an, als der Kutscher sein Gefährt zwischen alten Gebäuden hindurchmanövrierte. Hin und wieder konnte sie einen Blick auf das Tor eines kleinen Hofes oder einen engen Durchgang

Weitere Kostenlose Bücher