Der Duft der roten Akazie
Kalifornien gefahren, um reich zu werden. Eben hat es eine Weile mit dem Goldschürfen versucht, allerdings rasch herausgefunden, dass es weniger mühsam ist, andere um ihre Habe zu erleichtern. In San Francisco gab es viele zwielichtige Gestalten, und die haben auf Eben schon immer eine große Anziehungskraft ausgeübt. Die Amerikaner hielten uns ohnehin ausnahmslos für Sträflinge und nannten uns Sydneybengel. Ich glaube, es hatte etwas mit unserer Kleidung zu tun. Eine Weile wurden wir geduldet, und einige von uns haben die Polizei dafür bezahlt, dass sie ein Auge zudrückt. Doch der Mensch kann nun einmal nicht genug kriegen, und irgendwann wurden die Zustände so schlimm, dass die Amerikaner etwas tun mussten. Sie haben einen der Jungs, er hieß Rufus, erwischt und ihn ohne Gerichtsverhandlung aufgeknüpft. Kurz darauf gab es in San Francisco ein großes Feuer, und man gab den Jungs aus Sydney die Schuld daran. Keine Ahnung, ob es stimmt. Ich hütete damals oben im Norden das Bett, nachdem der Franzose versucht hatte, mich abzustechen. Jedenfalls sind die Amerikaner nach dem Brand unangenehm geworden. Also hat sich jeder, der konnte, aus dem Staub gemacht.«
»Aber Sie haben sich doch nichts zuschulden kommen lassen, oder?« Es wunderte sie, wie wichtig ihr die Antwort war.
Adam legte vorsichtig ein paar Scheite ins Feuer. »In San Francisco, einem Viertel namens Little Chile, und in den Kneipen am Hafen gab es eine ziemlich große Gruppe Australier. Ein paar kannte ich von zu Hause. Ich habe mich eine Weile mit ihnen herumgetrieben.« Er zögerte. »Ich habe nie jemanden umgebracht, falls Sie das meinen. Allerdings kannte ich in Little Chile Männer, die bereit waren, jemandem für einen Dollar die Kehle durchzuschneiden. Eben und ich haben von diesen Dingen die Finger gelassen. Ich wollte nur Gold finden und wieder nach Hause fahren. Eben? Ja, der war ein ziemlich wilder Bursche, aber auch für ihn gab es Grenzen.«
»Und jetzt ist er Straßenräuber im Black Forest.«
»Richtig.« Er sah sie an. »Ich bin mit seiner Lebensweise nicht einverstanden, Mrs Seaton. Das dürfen Sie mir glauben. Allerdings ist und bleibt er mein Bruder.« Er setzte sich neben sie und machte es sich bequem. Wolf leckte seine Hand. »Ich habe ihn gefragt, ob er von einer Frau gehört hätte, die vor vier oder fünf Tagen mit ihrem Diener durch den Wald geritten ist. Leider nein. Er wusste auch nichts von dem Überfall auf Sie an Seaton’s Lagune.«
Ella betrachtete ihn neugierig. »Warum haben Sie ihm gesagt, dass wir Mann und Frau sind?«
Adam lehnte sich ans Wagenrad und blickte ins Leere. »Eben ist mein Bruder, und ich kenne ihn gut. Deshalb weiß ich, dass er nie meine Frau anrühren würde. Und darum musste er Sie dafür halten.«
Wie kann ich sicher sein, dass du nicht genauso gefährlich bist wie Eben?, fragte sich Ella. Du sprichst davon, anderen die Kehle durchzuschneiden, und räumst ein, dass du und dein Bruder verschiedene Väter habt, als ob das eine Alltäglichkeit wäre. Vielleicht belügst du mich ja und bist in Wirklichkeit hinterhältig wie eine Schlange.
Doch trotz der Zweifel, die sich in ihr breitmachten, hielt Ella sich vor Augen, wie gut er in den letzten Tagen für sie gesorgt hatte. Adam war für sie da gewesen, als sie ganz allein gewesen war. Er hatte sich um sie gekümmert, ohne zu klagen oder etwas dafür zu verlangen. Zumindest nicht, soweit sie es feststellen konnte. Und wenn Adam nicht Ebens Bruder gewesen wäre, hätte man Ella gewiss an einen Baum gebunden oder ihr noch Schlimmeres angetan.
Sie zitterte.
Adam griff nach ihrer Hand. Seine war sehr warm, und seine Stimme klang sanft und beruhigend. »Wenn Bess und die Straße mitspielen, haben wir den Black Forest morgen hinter uns und sind auf dem Weg nach Bendigo. Unterwegs gibt es einige Gasthöfe, wo wir Erkundigungen über Sie einziehen können, Mrs Seaton. Vergessen Sie das nicht. Vielleicht wissen wir morgen um diese Zeit, wer Sie sind, und ich habe die Belohnung in meiner Tasche.«
Ella wollte lachen, aber sie zitterte wie Espenlaub. Er stöhnte auf, nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich, um sie zu wärmen. Er roch nach Feuer und Erde und war so unbeschreiblich warm. Allmählich übertrug sich diese Wärme auf sie, und sie hörte auf zu beben. Sobald sie sich gefasst hatte, wich er zurück. »Gehen Sie schlafen«, wies er sie knapp an. »Bald wird es hell.«
Wieder allein, nickte Ella und kroch gehorsam unter ihre
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