Der Duft der roten Akazie
schüttelte sie entschlossen den Kopf. Nein. Allein der Gedanke, sich in Mr Morris’ Obhut zu begeben, sorgte dafür, dass sie zusammenzuckte. Adam mochte ein »Halunke« sein, aber sie hätte ihm jederzeit ihr Leben anvertraut.
Langsam kehrte Ella zum Feuer zurück. Nach dem Regen verströmten die Erde und die Eukalyptusbäume einen würzigen Duft, der sich mit dem Rauch des Feuers mischte. Das Fleisch brutzelte bereits. Adam hatte am frühen Morgen einige Vögel erlegt, die er nun am Spieß briet.
Als er lächelnd zu ihr aufblickte, legte sich der müde Ausdruck in seinen Augen ein wenig. »Alles in Ordnung?«
»Ja.« Er lachte, weil sie seinen Tonfall nachgeahmt hatte.
»Morgen müssten wir in Carlsruhe sein, wenn das Wetter mitspielt.« Beim Sprechen wendete er geschickt den Braten. »Dort ist eine Abteilung der berittenen Polizei stationiert. Wir können uns bei den Polizisten nach Ihnen erkundigen.«
»Was ist mit Ihrem Bruder?«
Adams Augen verengten sich, was nicht am Rauch liegen konnte. »Was soll mit ihm sein?«
»Ich meinte nur …« Sie scharrte nervös mit den Füßen. »Wenn die Polizisten uns nach Straßenräubern fragen … ob jemand gemeldet hat … Oh! Soll ich der Polizei den Zwischenfall verschweigen?«
Er grinste. »Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar«, erwiderte er. »Haben Sie Hunger?«
Das Fleisch schmeckte köstlich. Ella verspeiste ihre Portion bis auf den letzten saftigen Bissen und leckte sogar die Knochen ab. Nie hätte sie gedacht, dass sie eine Mahlzeit je so würde genießen können. Adam nahm ihr Lob mit feierlicher Miene entgegen, doch sie bemerkte an dem warmen Leuchten in seinen Augen, wie sehr er sich darüber freute.
Sie schlugen am Fluss ihr Lager auf. Nach einer Weile trafen weitere Reisende ein, die sich ein Stück entfernt niederließen. Das leise Stimmengewirr und Gelächter lullten Ella ein. Sie beobachtete, wie gespenstischer Nebel vom Wasser aufstieg. Wolfs Augen funkelten im Schein des Feuers, und sie wusste, dass er lieber in der Dunkelheit auf die Jagd gegangen wäre, als brav am Feuer zu sitzen. Aber Adam hielt ihn in seiner Nähe, denn er fand, dass ein guter Wachhund auf den Goldfeldern ebenso unverzichtbar war wie eine Spitzhacke und eine Schaufel.
Das Feuer knisterte. Ella gähnte. Bald würde sie sich unter ihrer Decke zusammenrollen und einschlafen. Und vielleicht würde sie ja morgen in Carlsruhe erfahren, wer sie wirklich war.
Carlsruhe setzte sich aus dem Polizeiposten Mount Macedon, einer Station zum Wechseln der Pferde für die neu eingerichteten Goldtransporte, einem Postamt und den üblichen Bretterhütten und Baumwollzelten zusammen, die den Reisenden als Unterkünfte dienten. Adam war voller Hoffnung und überzeugt, dass sich jemand an eine Frau im roten Mantel erinnern würde.
Doch als sie eintrafen, herrschte bei der Polizei Alarmbereitschaft. Der Vorgesetzte, ein Lieutenant Moggs, bat sie ungeduldig in sein Büro. Auf Ella wirkte er in seiner Uniform unbeschreiblich schneidig. Er hatte einen funkelnden Säbel am Gürtel, und in seinen Stiefeln konnte man sich spiegeln. Dieser Mann war kein ungehobelter Soldat, wie die an Personalmangel leidende Polizei in Victoria sie für gewöhnlich anwarb. Stattdessen hatte sie einen jungen Gentleman vor sich, der aus ihr unbekannten Gründen beschlossen hatte, Karriere bei den verhassten »Polypen« zu machen.
Lieutenant Moggs teilte ihnen zackig und in kultiviertem Akzent mit, im Black Forest habe wieder ein Raubüberfall stattgefunden, weshalb er und seine Männer gerade alles für den Aufbruch vorbereiteten, um nach dem Rechten zu sehen.
Ella wich Adams Blick aus, als dieser seine Anteilnahme äußerte. Da Lieutenant Moggs in Eile zu sein schien, kam Adam rasch auf den Punkt.
Der Mann schaute zwischen Ella und Adam hin und her. »Ich bin in den letzten Monaten niemandem begegnet, auf den diese Beschreibung passt«, erwiderte er, zunehmend unwirsch.
»Sind Sie sicher?«, hakte Adam nach. »Mrs Seaton erinnert sich nicht mehr, woher sie kam. Sie weiß nicht, wer sie ist! Die Dame braucht die Hilfe der Behörden.«
Lieutenant Moggs runzelte die Stirn. Offenbar brannte er darauf, seinen Pflichten nachzukommen, und empfand diese Verzögerung als ziemlich lästig. Außerdem musterte er Ellas schmutzige Kleider und ihr zerzaustes Haar mit Abscheu. Er schien sich bereits eine Meinung über sie gebildet zu haben und nicht bereit zu sein, von dieser abzurücken.
»Ich kann im Augenblick nichts für
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