Der Duft der roten Akazie
sie tun, denn ich muss mich mit wichtigeren Dingen befassen. Wenn sie warten möchte, bis ich zurückkomme, kann ich veranlassen, dass man sie nach Melbourne begleitet.«
Ella wurde flau im Magen. Ihr war nicht klar gewesen, dass sie in Carlsruhe würde ausharren müssen, bis Lieutenant Moggs die Zeit fand, sie nach Süden zu schicken. Und was dann? Ängstlich sah sie Adam an und bemerkte, dass er auch seine Zweifel hatte. »Und was soll dort aus ihr werden?«, erkundigte er sich.
Der Lieutenant betrachtete ihn herablassend und war offensichtlich der Auffassung, dass Adam nicht das Recht hatte, Fragen zu stellen. »Es gibt dort eine Herberge, wo sie bleiben kann, bis wir erfahren, wer sie ist und was wir mit ihr anfangen sollen. Vielleicht meldet sich ja ein Angehöriger.« Allerdings hielt er, wenn man nach seiner Miene urteilte, die letzte Möglichkeit für ziemlich unwahrscheinlich. Plötzlich schlich sich ein argwöhnischer Ausdruck auf sein Gesicht. »Sie haben doch behauptet, sie hätte ihren Namen vergessen. Warum nennen Sie sie dann Mrs Seaton?«
Aufseufzend setzte Adam zu einer Erklärung an, doch der Lieutenant hörte nur mit halbem Ohr zu. Das Thema langweilte ihn. Er wollte sich an die Verfolgung der Straßenräuber machen, während ihn eine verirrte Frau herzlich wenig kümmerte. »Lassen Sie sie da«, befahl er barsch. »Ich beschäftige mich mit ihr, wenn ich Zeit habe.«
»Dann fahre ich lieber weiter nach Bendigo«, erwiderte Ella ruhig, aber mit Nachdruck. »Trotzdem vielen Dank.«
Lieutenant Moggs’ grausame Züge hellten sich sichtlich auf vor Erleichterung. »Nun, das ist vermutlich die beste Lösung. Der dortige Hochkommissar kann Ihnen vielleicht weiterhelfen … äh … Ma’am.«
Ella wusste, dass er sie aus seinem Gedächtnis streichen würde, sobald sie diesen Raum verließ.
Draußen zuckte Adam die Achseln. »Wir haben es wenigstens versucht.«
Ella zwang sich zu einem Lächeln. »Anscheinend mache ich Ihnen nichts als Ärger.«
Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Nun, so ist es einfach manchmal im Leben.«
»Offenbar falle ich Ihnen wirklich zur Last, Adam. Bestimmt haben Sie gehofft, man würde sich hier meiner annehmen. Ich hätte besser nachdenken sollen. Sicher halte ich Sie auf.«
Er grinste spöttisch. »Die Straßenverhältnisse und das Wetter halten mich auf, nicht Sie.« Er zögerte. »Die Sache im Black Forest war ziemlich knapp. Das hätte auch übel ausgehen können. Ich habe mir überlegt, dass ein anderer Begleiter, jemand in Uniform, wie der Lieutenant vorgeschlagen hat, vielleicht besser für Sie wäre. Ich bin nicht der richtige Reisegefährte für eine Dame wie Sie.«
Ella fragte sich, ob Adam wohl auch in den Genuss eines Vortrags von Mr Morris gekommen war. »Ich wünschte, Sie hätten mir das schon in Five Mile Creek gesagt«, murmelte sie.
»Was?«
Aber sie schüttelte den Kopf. »Adam, Sie haben mich versorgt, als wäre ich ein Kind. Wahrscheinlich haben Sie mir das Leben und ganz sicher meine Ehre und meine Würde gerettet. Inzwischen interessiert es mich nicht mehr, was die Leute reden. Schauen Sie mich doch nur an.«
Er lachte. »Sie sehen wirklich ein bisschen mitgenommen aus.«
Sie holte tief Luft. »Darf ich bei Ihnen bleiben, bis wir in Bendigo sind, Adam?«
Ihr Tonfall war flehend, und sie wagte nicht, ihm in die Augen zu blicken. Er klopfte ihr brüderlich auf die Schulter. »Dann also bis Bendigo«, versprach er.
Vor Erleichterung wurde ihr schwindelig.
Hinter Carlsruhe besserten sich die Straßenverhältnisse. Sie kamen schneller voran und hatten bald die kleine Farmerstadt Kyneton erreicht.
In Kyneton war der Wohlstand ausgebrochen. Die Erzeugnisse der Farmer stießen auf den Goldfeldern auf große Nachfrage, da die Lebensmittel nie für alle Goldgräber reichten. Das, was es zu kaufen gab, kostete häufig das Hundertfache des üblichen Preises. In Kalifornien hatte Adam von Schweinefleisch und Bohnen gelebt und von Austern und Champagner geträumt. In Victoria ernährten sich die Goldgräber von Hammel und Brot, hatten jedoch vermutlich ganz ähnliche Träume.
Nach Kyneton säumten sogenannte Kaffeezelte die Straße. »In Wirklichkeit wird dort Schnaps ausgeschenkt«, erklärte Adam. »Meistens ist es ein übler hausgemachter Fusel. Man kann von Glück reden, wenn man am nächsten Morgen noch den Kopf auf den Schultern hat.«
Allerdings hatten einige dieser Läden mehr als nur Schnaps zu bieten. Es gab Tee, Kaffee, warme
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