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Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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hatte eindeutig die Absicht gehabt, ihn umzubringen. Ella stellte sich die glatte gebräunte Haut aufgeschlitzt und blutend vor und schauderte. Plötzlich verspürte sie den fast unbezähmbaren Drang, mit den Fingern über die Wunde zu streichen, als könne sie die erlittenen Schmerzen auf diese Weise ungeschehen machen.
    Adam hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Seine Hände ruhten noch am Taillenbund seiner Hose. Ella sah ihm in die Augen, in denen sich ein fragender Ausdruck malte. Offenbar hatte er bemerkt, wohin sie schaute, denn er berührte selbst die Narbe.
    »Ich habe geschlafen«, sagte er mit leiser Stimme. »Deshalb habe ich ihn erst im letzten Moment gehört und den Arm gehoben, um das Messer abzuwehren. Und so ist es über meine Rippen gefahren, anstatt den Brustkorb zu durchstoßen.«
    »Sie haben Glück gehabt.« Sogar sie selbst fand, dass ihre Stimme seltsam klang. Mühsam riss sie den Blick von ihm los, stand unvermittelt auf und wandte ihm den Rücken zu. »Ich hole Ihnen eine Decke«, meinte sie und ging rasch zum Karren.
    Das Holz fühlte sich unter ihrer Hand so warm und glatt an wie Haut. Sie schloss die Augen. »Nein!« Alles in ihr wehrte sich dagegen. Adam war ihr Reisebegleiter und ihr Freund, nicht mehr. Sie durfte nicht zulassen, dass sie Gefühle für ihn entwickelte. Seine Anziehungskraft hatte sie mit voller Wucht und völlig überraschend getroffen. Sicher würde sie sich genauso plötzlich wieder legen. Adam durfte nichts davon erfahren, das war für sie beide das Beste. Ich würde ihn nur benutzen, um jemandem … irgendjemandem nah zu sein, dachte sie. Weil mein Leben so leer ist und weil ich so einsam bin.
    Ella schlug die Augen auf. Adam fror. Sie würde wie versprochen die Decke holen und alles andere vergessen.
    Doch er kam ihr zuvor.
    »Ich erledige das.« Er stand hinter ihr und griff nach der Decke, sodass sein nackter Arm ihren streifte. »Setzen Sie sich«, fügte er lächelnd hinzu. »Ich koche Ihnen einen heißen Tee.«
    »Nein«, stieß sie heiser hervor. »Das mache ich.«
    Er musterte sie zweifelnd.
    »Ich weiß, wie man Tee kocht«, versicherte sie ihm mit festerer Stimme.
    Schweigend beobachtete er sie, während sie Wasser erhitzte und die groben, trockenen Teeblätter dazugab. Die Tätigkeit wirkte beruhigend auf Ella, bis sie sich schließlich fragte, warum sie sich von einem Mann wie Adam so hatte verwirren lassen können. Wie war es möglich, dass sie sich, wenn auch nur für einen Moment, so fiebrig von ihm angezogen gefühlt hatte? Das passte doch gar nicht zu ihr – oder der Frau, die sie zu sein glaubte. Hatte sie wirklich ein so falsches Bild von sich?
    »Sie lernen schnell«, stellte Adam fest, als sie ihm den Becher reichte.
    »Man muss schon ein Dummerchen sein, um keinen Tee kochen zu können.«
    »Nun«, erwiderte er mit einem Seitenblick. »Das sind Sie ganz sicher nicht.«
    Ella spürte, wie ihr Lächeln verflog. »Aber wer bin ich, Adam? Das möchte ich unbedingt herausfinden. Wer bin ich?«
    Nachdenklich starrte er auf die dunkle Flüssigkeit in seinem Becher. »Und Sie erinnern sich wirklich an gar nichts?«
    Sie runzelte die Stirn. »Manchmal glaube ich, dass mir etwas einfällt. Ich habe Träume … Da ist ein Wald, und ich habe mich verirrt. Doch wenn ich aufwache, liegt alles im Nebel, und ich bin durcheinander. Je mehr ich darüber nachgrüble, desto schlimmer wird es.«
    Er nickte verständnisvoll.
    Plötzlich brauchte sie jemanden, der ihr Selbstbild bestätigte. »Verraten Sie mir, wofür Sie mich halten, Adam. Abgesehen davon, dass ich eine Dame bin«, fügte sie rasch hinzu, als er den Mund öffnete.
    Er schmunzelte. »Nun«, begann er zögernd. »Ich denke, Sie haben eine gute Schule besucht, Mrs Seaton. Sie sind gebildet. Außerdem haben Sie offenbar viel durchgemacht, denn Sie sind gütig, obwohl Sie auch grausam sein könnten. Sie können es nicht leiden, wenn Leute wie Morris Ihnen Vorschriften machen, und bestimmen lieber selbst über Ihr Leben.« Er überlegte weiter. »Sie sind ein Leben im Wohlstand gewohnt, weshalb die Bedingungen auf der Straße nicht leicht für Sie sind. Aber Sie haben eindeutig Mut und lassen sich nicht leicht unterkriegen.«
    Ein warmer Ausdruck stand in seinen Augen. Ella fand, dass er mit dem Haar, das ihm über die Schultern fiel, und in die Decke gewickelt aussah wie ein Indianerhäuptling. Sie betrachtete die Tätowierung, die sich seinen Arm hinaufschlängelte, und ein Stück nackter Brust.

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