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Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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Mahlzeiten und manchmal auch ein Eckchen, wo man bei Regen übernachten konnte. Wegen der unpassierbaren Straßen und des schlechten Wetters hatten sich die Ochsenkarren, die Proviant aus Melbourne brachten, verspätet oder waren gar nicht eingetroffen, sodass an allem Knappheit herrschte. Deshalb konnte Adam bei den verzweifelten Besitzern einen Teil seiner Waren für einen guten Preis losschlagen. Nachdem er wieder einmal hart verhandelt hatte, kehrte er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht zurück.
    »Sie haben Gewinn gemacht«, mutmaßte Ella.
    Adam strahlte. »Das kann man sagen.«
    In einem Kaffeezelt beklagten sich einige Goldgräber lautstark darüber, dass eine Schürflizenz dreißig Shilling im Monat kostete. Ella erfuhr, dass der Erwerb einer solchen Lizenz, die der Besitzer ständig bei sich tragen musste, Pflicht war.
    »Die meisten finden nicht genug Gold, dass es für die Lizenz reicht«, erklärte Adam. »Aber Charley Joe La Trobe ist der Ansicht, dass er das Geld braucht, um die Goldfelder zu betreiben, und lässt sich nicht erweichen.«
    Sir Charles Joseph La Trobe war der Gouverneur von Victoria und bei den Goldgräbern allgemein verhasst. Noch mehr verabscheuten sie die Polizisten, die die Einhaltung der Vorschriften durchsetzten und nach ihrem obersten Dienstherrn »Joes« oder »Charley-Joes« genannt wurden.
    Als Ella und Adam ihren Weg fortsetzten, ließen sie die Bergkette, die Victoria teilte, hinter sich. Im Tiefland war es zwar immer noch kalt, doch der schneidende, bis ins Mark gehende Wind, der sie seit Kyneton gebeutelt hatte, ließ endlich nach. Die Flüsse waren wegen des Regens über die Ufer getreten. Es gab zwar Brücken und Fähren, aber Adam musste dennoch häufig den Karren abladen und den Inhalt einzeln hinüberschaffen.
    Allerdings schienen ihn die Verzögerungen nicht zu stören. Ella fand, dass er ein bemerkenswert ausgeglichener Mensch war. Nur einmal, als er nach einem Sturz ins Wasser frierend und klatschnass am Feuer saß, schimpfte er, er hätte besser in Sydney bleiben sollen.
    Ella betrachtete ihn neugierig. »Was haben Sie dort gemacht?«
    Er zuckte die Achseln. »Dies und das. Mit sieben habe ich als Botenjunge in einem Hotel in der George Street gearbeitet. Später war ich Fahrer bei einem Holzhändler. Danach habe ich am Hafen Schiffe entladen. Dort habe ich auch vom Goldrausch in Kalifornien gehört. Ich war dabei, als das erste Schiff mit der Nachricht eintraf.«
    »Wie alt sind Sie, Adam?«
    Er zog die Brauen hoch, und seine Augen funkelten belustigt wie poliertes Mahagoni. »Wenn man meiner Mutter glauben kann, fünfundzwanzig, Mrs Seaton.«
    Sie hätte ihn älter geschätzt. Vermutlich merkte man ihr das Erstaunen an, denn er fügte hinzu: »Wahrscheinlich habe ich in diesen fünfundzwanzig Jahren mehr gesehen als viele Männer in ihrem ganzen Leben.«
    »Da haben Sie sicher recht.«
    Verlegenes Schweigen entstand. Als Adam zu zittern begann, wurde Ella besorgt klar, dass er wirklich bis auf die Haut durchnässt war.
    »Vielleicht sollten Sie die Sachen ausziehen und sie trocknen«, schlug sie vor. »So können Sie nicht weiterfahren.«
    »Das geht schon«, begann er, wurde aber von einem erneuten Schauder unterbrochen. Er lächelte reumütig.
    »Bis zum nächsten Arzt ist es sehr weit«, beharrte Ella. »Und ich bin, glaube ich, keine sehr gute Krankenschwester.«
    Adam gab den Widerstand auf und entledigte sich seiner Jacke, damit Ella sie ans Feuer hängen konnte. Danach schlüpfte er aus seinem wollenen Hemd und reichte es ihr ebenfalls. Als er sich bückte, um die Stiefel auszuziehen, gab Ella sich alle Mühe, nicht hinzuschauen, aber ihre Augen wollten ihr nicht gehorchen. Sein breiter Rücken und seine Brust waren von der Sonne gebräunt, allerdings im Moment wegen der Kälte mit Gänsehaut bedeckt. Jahrelange körperliche Arbeit hatte seine Muskeln gestählt, sodass sich Schultern und Arme wölbten.
    Eigentlich sollte ich seine Körperkraft als beruhigend empfinden, dachte Ella. Warum also ging ihr Puls plötzlich schneller? Ihr Blut brauste in einer Melodie, die sie noch nie zuvor gehört hatte.
    Inzwischen war Adam seiner Stiefel ledig und schickte sich an, die Hose über Hüften und Oberschenkel zu streifen. Ella hob ängstlich den Blick, und ihre Augen weiteten sich. Auf der rechten Seite seines Oberkörpers verlief eine Narbe von der Brustwarze bis hinab zur Taille. Es war eine dicke Narbe, gezogen mit einer scharfen Klinge. Der Angreifer

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