Der Duft der roten Akazie
Gold befestigt. Sie ritten stets im Galopp. Adam hatte erklärt, unterwegs gäbe es Stationen, um die Pferde zu wechseln, sodass sie nie an Tempo verloren. Die Goldgräber, die ihren Fund sicherheitshalber einem solchen Transport anvertrauten, konnten ihn dann in Melbourne wieder in Empfang nehmen.
Eine von Pferden gezogene Kutsche raste vorbei. Sie schwankte so heftig hin und her, dass sich die Passagiere mit aller Kraft festhalten mussten. Nach dieser Begegnung wusste Ella Bess und ihren gemächlichen Trott sehr zu schätzen.
Adam erkundigte sich überall, ob jemand eine Frau in einem roten Mantel gesehen habe, doch kein Mensch konnte sich daran erinnern. Inzwischen regnete es wieder heftig. Das Wasser durchweichte Ellas Decke, rann ihr den Hals hinunter, ließ Adams Haar dunkel werden und tropfte ihm von der Nasenspitze.
Das Grau in Grau wirkte bedrückend auf Ella. Adam, der ihre Niedergeschlagenheit spürte, versuchte, sie aufzuheitern. Sie tat, als wäre es ihm gelungen, doch mit der Zeit fiel es ihr zunehmend schwerer, sich zu verstellen. Schließlich warf er ihr nur ab und zu einen besorgten Blick zu, während sie sich zurückzog.
Auf der anderen Seite des Coliban River wurde der Weg so steil, dass Ella aussteigen und zu Fuß gehen musste, damit Bess es bis zur Kuppe schaffte. Adam marschierte neben der Stute her und redete aufmunternd auf sie ein, wobei er aufpassen musste, nicht im Schlamm auszurutschen. Der Regen peitsche ihnen ins Gesicht und rötete ihre Haut. Als Ella sich die Augen abwischen wollte, stellte sie fest, dass ihre Finger vor Kälte gefühllos geworden waren.
»Gleich kommen wir in eine Ortschaft namens Sawpit Gully«, meinte Adam, als sie endlich oben angelangt waren. »Eine Frau, die ich kenne, betreibt dort einen Gasthof. Bestimmt hat sie ein Bett für Sie.«
In ihrer Erschöpfung verstand sie ihn im ersten Moment nicht. »Ein Bett?«, wiederholte sie ungläubig.
»Ja, ein Bett. Und sicher auch eine Badewanne. Vor Einbruch der Dunkelheit sind wir da.«
»Oh Adam«, flüsterte sie, und die Tränen traten ihr in die Augen. »Oh Adam …«
Lachend tätschelte er ihr die Schulter.
Ella senkte den Kopf, schluckte und krampfte die Hände ineinander. Ein Bett! Dafür hätte sie alles Gold auf den Goldfeldern von Bendigo gegeben. Und ein heißes Bad, um ihren durchgefrorenen Körper zu wärmen und den Schmutz von der Reise abzuwaschen.
Im nächsten Moment jedoch fiel ihr etwas ein, das sie innehalten ließ. »Ist die Wirtin nicht die Frau, die Ihr Bruder erwähnt hat und die Sie in San Francisco kannten?«
Seiner Miene war nichts zu entnehmen, und er blickte unschuldig drein. »Sie hat mir nie etwas bedeutet, Cinderella.«
Sein Tonfall war gleichmütig, doch wie Ella inzwischen gelernt hatte, hieß das, dass er die Frage nicht beantworten wollte. Ein ungutes Gefühl beschlich sie, das ihr riet, noch ein wenig weiterzubohren. Aber was, wenn ich etwas zu hören bekomme, das ich nicht wissen will?, sagte sie sich dann. Etwas, das mich daran hindert, nach Sawpit Gully zu fahren? Diese Frau, wer immer sie auch sein mag, hat ein Bett und eine Badewanne. Spielt sonst etwas eine Rolle?
Zu ihrer Schande musste sie das verneinen.
Die Sonne ging schon unter, als sie endlich Sawpit Gully erreichten. Die Landschaft bestand aus einer Reihe tiefer Senken, die von mit Gebüsch bewachsenen Hügeln gesäumt wurden. Das Dämmerlicht verbarg zwar ein wenig die Armseligkeit der Ansiedlung – allerdings nicht ganz. Argwöhnisch sah Ella sich um. Halb verfallene Hütten und Baracken hoben sich vom trüben Licht ab. In den Türen der winzigen Schankwirtschaften und heruntergekommenen Kaschemmen standen Kerzen, und hin und wieder beleuchtete eine Lampe das Schild eines Gebäudes, das den Mut besaß, sich als Gasthof zu bezeichnen.
Adam hatte ihr erklärt, in Sawpit Gully träfen sich Goldgräber von den Goldfeldern im Norden mit Möchtegernschürfern aus dem Süden. Die aus einem Holzfällerlager entstandene provisorische Siedlung diente hauptsächlich dem Zweck, die Bedürfnisse einsamer Männer zu befriedigen. Da auf den Goldfeldern selbst der Alkoholausschank nicht gestattet war, ritt man ins nahe gelegene Sawpit Gully, um sich zu betrinken. Die meisten Goldgräber nahmen sich nicht einmal Zeit für ein Bad, bevor sie ihren Goldstaub in die verschiedenen Rauschmittel für Körper und Geist investierten, die hier im Angebot waren.
Für Ella war es eine fremde Welt. Sie warf einen Blick auf Adam.
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