Der Duft der roten Akazie
niemanden namens Eben. Nach einer Weile hatte Lieutenant Moggs verärgert aufgegeben.
»Was wird aus ihr?«, hatte Ella Adam gefragt, als dieser ihr alles geschildert hatte.
»Sie kommt mit uns nach Bendigo«, hatte Adam ruhig erwidert.
Also hatte Kitty ihren Willen durchgesetzt.
Da Lieutenant Moggs seinen Männern befohlen hatte, Adams Karren zu durchsuchen, hatte Adam den Großteil des Vormittags damit verbracht, alles wieder einzupacken. Nun waren sie endlich bereit zum Aufbruch.
»Es heißt, Doktor Rawlins’ Hütte sei dem Erdboden gleichgemacht«, sagte Kitty zu niemandem im Besonderen. »An jedem anderen Abend hätte er betrunken zu Hause gesessen. Aber zufällig hat eines der Mädchen, die bei der Roten Phebe arbeiten, ein Kind gekriegt, weshalb sie ihn gerufen haben.« Sie hielt inne. »Mrs Ure hat ihn gehasst wie die Pest, richtig?«
Adam warf Kittys Tasche auf den Wagen und half dem Mädchen beim Einsteigen. Kitty ließ sich auf einem Mehlsack nieder. Nachdem Ella ihren Stammplatz auf dem harten Kutschbock eingenommen hatte, setzte sich der Karren ruckartig in Bewegung und holperte den Weg entlang.
Immer wieder verdeckten Wolken eine Sonne, die keine Wärme verbreitete, und ihre Schatten glitten lautlos über das Land. Im Norden erhob sich der Mount Alexander, an dem sich die müden Reisenden auf dem Weg zu den Goldfeldern orientierten.
Die ersten anderthalb Kilometer legten sie schweigend zurück. Ella stand noch zu sehr unter Schock, um ihre Gefühle in Worte zu fassen. Kitty war müde. Und Adam hing seinen eigenen Gedanken nach.
»Meinst du, dass sie davonkommen werden?«, fragte Kitty schließlich und suchte sich eine bequemere Sitzposition auf ihrem Mehlsack.
»Das haben sie auch schon früher geschafft«, entgegnete Adam. Er drehte sich zu Kitty um. »Du wusstest, was dort gespielt wurde, oder?«
Kitty verzog das Gesicht. »Ich habe mich bemüht wegzuschauen, doch ich war im Bilde. Oft habe ich mir überlegt, ob ich sie anzeigen soll. Deshalb wollte sie nicht, dass ich dich und Mrs Seaton begleite.« Plötzlich wirkte sie älter, als sie tatsächlich war. »Vielleicht hätte sie mich ja umgebracht, wie sie es bei Doktor Rawlins versucht hat.«
Als Ella eine Haarsträhne ins Gesicht wehte, strich sie sie mit kalten Fingern zurück.
Doktor Rawlins tut mir leid, dachte sie. Aber wenn ich nichts gesagt hätte, wäre Adam verhaftet worden, obwohl er nichts mit der Sache zu tun hatte. Womöglich hätte die Polizei ihn sogar erschossen, um Eben und Nancy an der Flucht zu hindern. Ganz gleich, was ich auch getan hätte, es wären immer Menschen zu Schaden gekommen.
»Dieser Lieutenant Moggs konnte dich offenbar auf den Tod nicht ausstehen, was?«, wandte sich Kitty wieder an Adam.
»Er macht mich für sein Scheitern verantwortlich. Männer wie er brauchen einen Sündenbock.«
»Ein Glück, dass du mit Mrs Seaton zusammen warst, als die Hütte abgebrannt ist.« So unschuldig der Satz auch klingen mochte, Ella wusste, worauf Kitty wirklich hinauswollte. Also gab sie ihr die gewünschte Antwort.
»Adam hat die Polizisten vor dem Haus gehört und wollte mich wecken.«
Zwei Augenpaare musterten sie. Aber Ella drehte sich nicht um, sondern starrte geradeaus auf die Straße, die zur Farm der Weatherbys führte.
10
Das Farmhaus der Weatherbys war ein niedriges Gebäude aus Holz mit einer Veranda an der Vorderseite. Aus dem Schornstein quoll Rauch. Das Haus war von einem Lattenzaun umgeben. Daneben wuchsen um diese Jahreszeit kahle Obstbäume. In einem der Nebengebäude hinter dem Haus muhte eine Kuh, und einige Hunde liefen bellend hin und her, um die Bewohner vor Eindringlingen zu warnen. Allerdings war keine Menschenseele zu sehen.
Als Adam den Karren zum Stehen brachte, kam ein Mann aus einem der Nebengebäude. Er war schon älter, hinkte und blickte sie aus kurzsichtigen Augen an. »Wer sind Sie?«, erkundigte er sich. »Wenn Sie zu den Goldfeldern wollen, sind Sie hier falsch.«
»Wir suchen die Farm der Weatherbys«, erwiderte Adam freundlich. »Ist sie das?«
Der Mann musterte sie zweifelnd. »Sagten Sie Weatherby? Was wollen Sie von den Weatherbys?«
»Wir müssen mit jemandem über eine Frau sprechen, die vielleicht vor einigen Tagen hier übernachtet hat«, erklärte Adam geduldig.
Aber der alte Mann schüttelte den Kopf, als sei ihm das alles zu lästig. Er wies mit der Hand auf das Haus. »Davon weiß ich nichts. Am besten wenden Sie sich an Mrs Weatherby. Die kann Ihnen sicher
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