Der Duft der roten Akazie
weiterhelfen.«
Er hatte den Satz noch nicht beendet, als eine Frau aus dem Haus trat und auf der Veranda stehen blieb. Obwohl sie noch jung war, hatte ein von harter Arbeit und spartanischen Bedingungen geprägtes Leben bereits Falten in ihr Gesicht eingegraben. Das Haar hatte sie im Nacken zu einem schlampigen Dutt aufgesteckt.
»Was gibt es, Marcus?«, fragte Mrs Weatherby ungeduldig und blickte zwischen dem alten Mann und Adam hin und her.
Adam wiederholte lächelnd seine Frage, worauf sich auch die Mundwinkel der Frau nach oben bogen. Als sie Ella bemerkte, erhellte sich ihre Miene schlagartig.
»Hallo, Ma’am«, sagte sie mit der Erleichterung eines Menschen, der unter lauter Fremden ein vertrautes Gesicht entdeckt. »Kommen Sie herein.«
Während Adam den beiden Frauen vom Karren half, öffnete Mrs Weatherby, immer noch lächelnd, das Tor. »Marcus ist ziemlich schwerhörig«, meinte sie, nachdem der alte Mann sich wieder in sein Reich zurückgezogen hatte. »Doch im Moment habe ich niemanden außer ihm. Die anderen Männer treiben die Schafe zusammen, und mein Mann und mein Bruder sind zu den Goldfeldern in Forest Creek gefahren, um Fleisch zu verkaufen.«
Das kleine Wohnzimmer – Mrs Weatherby bezeichnete es als Salon – war förmlich eingerichtet. Ella vermutete, dass man es mit den besten Möbelstücken ausgestattet hatte, um Besucher zu beeindrucken, es jedoch nur selten benutzte. Im Kamin lagen zwar Holzscheite, die allerdings nicht brannten. Aber Mrs Weatherby brauchte nicht lang, um ein knisterndes Feuer zu entfachen.
»Es ist heutzutage schwierig, Arbeitskräfte zu finden«, meinte sie dabei. »Sobald man jemanden eingestellt hat, verschwindet er wieder zu den Goldfeldern. Wir haben sogar versucht, in Melbourne die Leute direkt vom Schiff anzuwerben. Sie bleiben eine Weile, doch dann packt sie auch das Goldfieber, und weg sind sie. Mein Mann sagt immer, dass das Gold der Untergang dieses Landes sein wird.«
»Sie verdienen sicher gut, wenn Sie Ihre Schafe in Forest Creek verkaufen, Ma’am«, meinte Adam und lächelte, um seinen Worten die Schärfe zu nehmen.
Sie strich sich das zerzauste Haar aus der Stirn. Die Falten um ihre Augen wurden tiefer, als sie sein Lächeln erwiderte. »Nun, was das betrifft, müssen Sie meinen Mann fragen. Nehmen Sie doch Platz. Ich bringe Ihnen Tee.«
Aber Ella wollte nicht so lange warten. Die höfliche Konversation empfand sie als reine Quälerei. Und jetzt sollte sie auch noch geduldig ein Teestündchen absitzen … »Bitte«, stieß sie hervor. »Sie kennen mich, oder?«
Mrs Weatherby verzog erschrocken das Gesicht. »Ja, ich kenne Sie, Ma’am«, antwortete sie dennoch wie aus der Pistole geschossen. »Sie haben bei uns übernachtet. Sie wollten mit Ihrem Diener nach Melbourne. Da Sie völlig durchgefroren waren, haben wir sie angefleht, noch eine Weile zu bleiben, aber Sie sind gleich am nächsten Morgen aufgebrochen. Mein Mann und ich waren in Sorge, dass Sie die Reise nicht heil überstehen könnten. Ich bin froh, dass Ihnen nichts zugestoßen ist.«
Ella tat die Bemerkung mit einer unwirschen Handbewegung ab. Ihre Stimme zitterte so, dass sie die Worte kaum herausbrachte. »Mrs Weatherby, können Sie mir sagen, wie ich heiße?«
Mrs Weatherby musterte sie verblüfft. »Wie Sie heißen? Natürlich kann ich das. Ihr Name ist Mrs Catchpole. Margaret Catchpole.«
Ella wurde von Aufregung ergriffen, und sie drehte sich mit leuchtenden Augen zu Adam um. Ein seltsamer Ausdruck, eine Mischung aus Erstaunen und Enttäuschung, malte sich in seinem Gesicht, doch sie bemerkte es nicht. »Catchpole«, wiederholte sie, und die Tränen traten ihr in die Augen.
Offenbar verstand ihre Gastgeberin die Welt nicht mehr. »Ich hole den Tee«, murmelte sie. Ihre raschen Schritte entfernten sich den Flur entlang zum hinteren Teil des Hauses.
Ich habe einen Namen, dachte Ella. Ich habe einen Namen!
Sie spürte, dass Adam sich neben ihr bewegte. Sein Tonfall war sanft, als müsse er ihr etwas schonend beibringen. »Ich glaube nicht, dass das Ihr Name ist.«
Immer noch erregt, wandte Ella sich zu ihm um. Ihre Lippen zitterten. »Es muss mein Name sein! Haben Sie nicht gehört, was die Frau gesagt hat? Margaret Catchpole!« Doch noch während sie sprach, war es, als läute in ihrem Kopf eine dumpfe Glocke. Der Name erschien ihr zwar vertraut, aber etwas war merkwürdig daran.
»Margaret Catchpole«, fuhr Adam ruhig fort, »war eine Strafgefangene, die wegen
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