Der Duft der roten Akazie
würde ich einen Bogen machen«, ergänzte Ella mit einem theatralischen Schaudern, was ihr einen überraschten und widerwillig dankbaren Blick von Kitty einbrachte.
»Da fällt mir etwas ein«, wandte Adam sich an Ella. »Was hat er gesagt, als er Ihr Haar anfassen wollte?«
Nun erschauderte sie tatsächlich, als sie sich daran erinnerte. »Er fand, ich hätte Haar wie der Mond. Warum?«
»Sind Sie sicher, dass das alles war?«
Ella runzelte die Stirn. »Was hätte er denn sonst noch sagen sollen?«
»Die Burschen da drüben«, er wies mit dem Kopf auf die Goldgräber, »glauben, dass er irgendwo eine geheime Grube hat.«
Ella starrte ihn verdattert an. »Sie können doch nicht allen Ernstes annehmen, dass er mir wegen meiner Haarfarbe zugeflüstert hat, wo sie ist!«
Adam beugte sich vor. »Einsamkeit kann den Menschen auf die seltsamsten Gedanken bringen. Hatten Sie nicht auch den Eindruck, dass etwas mit diesen Leuten nicht stimmt?«, fügte er hinzu. »Dass etwas vorging, das sie uns verheimlichen wollten?«
»Ja, dieses Gefühl hatte ich ebenfalls«, stimmte Ella nachdenklich zu. »War das der Grund, warum Sie nicht mehr von Kalifornien erzählt haben?«
»Ja.« Argwohn stand in seinen dunklen Augen. »Halten Sie es nicht auch für merkwürdig, Mrs Seaton, dass sie uns mit allen Mitteln einreden wollten, dass es in dieser Schlucht kein Gold gibt, ohne uns zu erklären, was sie dann hier treiben? Fünf große, kräftige, gesunde Männer – und kein Gold.«
Auf diesen Gedanken war sie zwar noch nicht gekommen, doch er leuchtete ihr ein. Plötzlich wurde ihr klar, warum Adam gelächelt und geschwiegen hatte.
»Aber was machen sie wirklich?«, erkundigte Kitty sich mit großen Augen.
Adam kratzte sich am Kinn. »Sie könnten Kerzenleuchter sein«, meinte er. »Oder ehemalige Sträflinge, die die Goldgräber um ihre Barschaft erleichtern wollen.«
Wolf stützte das Kinn auf Adams Knie und sah ihn aus braunen Augen flehend und erwartungsvoll an. Adam enttäuschte ihn nicht und tätschelte den breiten Kopf des Hundes liebevoll, worauf Wolf zufrieden seufzte.
»In Eaglehawk Gully gibt es die größten Vorkommen«, überlegte Adam laut. »Doch Peg Leg Gully ist ebenfalls sehr ertragreich. Also beides gute Standorte, um einen Laden zu eröffnen.«
»Gibt es dort nicht schon viele Läden?«, fragte Kitty.
Adam zwinkerte ihr zu. »Schon. Aber wegen des Regens und der schlechten Straßen steigen die Preise. Die Besitzer von Ochsenkarren können ein Vermögen dafür verlangen, dass sie Proviant von Melbourne hierherschaffen, und finden dennoch genug Kundschaft. Die Ladenbesitzer müssen nehmen, was sie geliefert bekommen, oder selbst losfahren, um Waren zu besorgen. Und je mehr sie bezahlen, desto höher sind ihre Preise. Ich hingegen brauche mir darüber keine Gedanken zu machen. Ich unterbiete sie und schnappe ihnen die Kundschaft weg.«
»Ist das nicht unfair?«, murmelte Ella verunsichert.
Adam lachte. »Unfair? Was ist schon fair am Geldverdienen, Mrs Seaton? Das Wichtigste ist, anderen immer einen Schritt voraus zu sein. Das hat Ollie McLeod mir beigebracht.«
»Wer oder was ist Ollie McLeod?«
Adam wirkte auf einmal gealtert. »Ollie McLeod war ein Mann, den ich in meiner Jugend in Sydney kannte. Er war als Junge nach Neusüdwales gekommen, zwar nicht als Sträfling, aber ein Schatten lag auf seiner Vergangenheit. Doch er war klug und skrupellos und gehörte bald zu den wohlhabendsten und einflussreichsten Männern Sydneys.«
»Das klingt, als hätten Sie ihn bewundert.« In Adams Tonfall schwang tatsächlich so etwas wie Bewunderung mit, doch als er den Kopf hob und sie ansah, war sie sich nicht mehr sicher.
»Ich habe öfter für ihn gearbeitet«, fuhr er leise fort, »und viel von ihm gelernt. Aber ich konnte ihn nicht leiden. Niemand mochte ihn. Er war ein richtiges Schwein.«
Ella spürte, wie sie bei diesem Kraftausdruck errötete. Kitty hingegen beugte sich vor. »Wie warst du als Junge, Adam? Ich wette, du hattest schon damals eine flinke Zunge.«
Beinahe erleichtert lächelte er sie an, und Ella wusste, dass er froh war, das Thema wechseln zu können. »Ja, ich hatte schon immer ein Händchen dafür, mich geschickt aus der Affäre zu ziehen. Eben hat sich nicht mit Reden aufgehalten, sondern lieber seine Fäuste gebraucht. Meine Ma meinte immer, ich wäre der Klügste in der Familie. ›Du wirst es einmal weiter bringen als Ollie McLeod!‹, das waren ihre Worte, die mir in all den
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