Der Duft der roten Akazie
zwar beim Sprechen, meinte es aber offenbar ernst.
Das Mädchen schmollte, widersprach jedoch nicht. Obwohl Ella es nur ungern zugab, war sie froh über Kittys Gesellschaft.
»Ich stelle mich besser an, wenn ich vor dem Dunkelwerden eine Lizenz ergattern will«, murmelte Adam und hielt Ella die Hand hin. »Viel Glück, Mrs Seaton.«
Sie berührte seine Finger. Sie waren so warm und kräftig, dass sie plötzlich wünschte, sie hätte Handschuhe getragen. Er betrachtete sie, als erinnere er sich an den Kuss und wollte ihn gern wiederholen. Kein Gentleman würde eine Dame so ansehen, sagte sich Ella mit zitternden Knien.
»Was sollte das gerade?«, erkundigte Kitty sich argwöhnisch, während er davonging.
»Keine Ahnung«, erwiderte Ella atemlos.
Der Wachmann am Eingang des Lizenzbüros teilte Ella mit, der Hochkommissar sei in einer anderen Angelegenheit aufgehalten worden, werde aber in Kürze erwartet. Er rief einen vorbeihastenden Constable heran. »Greg wird sich um Sie kümmern.«
Greg musterte die beiden Frauen zweifelnd. »Was wollen Sie? Sie kommen doch nicht etwa aus einem Freudenhaus?« Allerdings verriet das Funkeln in seinen Augen, dass er genau das Gegenteil erhoffte.
Ella hatte keine Ahnung, was ein Freudenhaus war. Kitty offenbar schon, denn sie stemmte die Hände in die Hüften. »Passen Sie auf, was Sie sagen! Mrs Seaton hat einen Termin bei Mr Gilbert. Also bringen Sie uns sofort zu ihm!«
Der Constable verzog störrisch den Mund.
Ella beschloss, sich einzumischen. »Bitte. Ich muss dringend mit Mr Gilbert sprechen.«
Der Mann blickte zwischen Kitty und Ella hin und her und zuckte die Achseln. »Ich begleite Sie. Ich kann aber nicht versprechen, dass er Sie empfängt.«
Er ging voraus, überquerte den schlammigen Platz und steuerte auf einige kleinere Zelte zu. Erst als ein beladener Wagen an ihnen vorbeirumpelte, blieb er stehen.
»Was ist ein Freudenhaus?«, raunte Ella Kitty zu.
»Das wollen Sie nicht wirklich wissen.«
»Doch, sonst würde ich ja nicht fragen.«
Kitty grinste spöttisch. »Ein Bordell, Mrs Seaton.«
Ella bedachte den Rücken des Constable mit einem finsteren Blick.
Hinter den Zelten und Stallungen stieg das Gelände steil an. Ella erkannte das berüchtigte Gefängnis zwischen hohen Eukalyptusbäumen. Es schien aus aufeinandergeschichteten Baumstämmen zu bestehen. Wenn die Tür erst einmal verriegelt war, gab es sicher keine Möglichkeit zur Flucht.
»Warten Sie hier!«
Die Stimme des Constable riss sie aus ihren Überlegungen. Ella bemerkte, dass sie vor einem der Zelte standen. Falls es sich um das Privatquartier des Hochkommissars handelte, war es beileibe kein Palast und nicht von den übrigen Unterkünften zu unterscheiden.
Ella beobachtete, wie Constable Greg den Kopf durch die Türöffnung steckte, salutierte und leise sein Anliegen vorbrachte. Kurz darauf erschien ein weiterer Mann. Er war ziemlich jung und elegant gekleidet und sah die beiden Frauen stirnrunzelnd an.
»Ich bin Mr Gilberts Sekretär«, verkündete er wichtigtuerisch. »Mr Gilbert ist ein viel beschäftigter Mann. Was wollen Sie?«
Der unfreundliche Empfang löste Mutlosigkeit in Ella aus, Aber sie nahm sich zusammen und trat vor. »Sir, ich hätte eine Bitte.« Sie erklärte so kurz und deutlich wie möglich ihre Situation. Der Sekretär lauschte ungeduldig und wortlos.
»Tja, das ist wirklich eine unerfreuliche Geschichte«, meinte er schließlich, noch immer mit finsterer Miene. »Allerdings bezweifle ich, dass Mr Gilbert Ihnen helfen kann. Sie würden sich wundern, wie viele Menschen, Männer und Frauen, auf den Goldfeldern verschwinden, Ma’am. Zahlreiche arme Teufel sterben oder werden ermordet, ohne dass jemand auch nur ihren Namen kennt.« Er räusperte sich und wich Ellas ängstlichem Blick aus. »Aber – warten Sie einen Moment. Der Hochkommissar ist gerade mit einem seiner Offiziere beschäftigt. Doch ich werde ein gutes Wort für Sie einlegen.«
Mit diesen Worten kehrte er ins Zelt zurück und ließ sie mit Greg allein, der sie aufmerksam beobachtete. Als er Kitty anzüglich zugrinste, sah sie ihn feindselig an. Ella stand da wie ein Standbild und starrte auf den Zelteingang. Sie krampfte die zitternden Hände ineinander und zwang ihre Beine, nicht einzuknicken. Alles schien von den nächsten Minuten abzuhängen. Am liebsten hätte sie vor Ungeduld losgeschrien. Ich darf es mir nicht anmerken lassen, sagte eine innere Stimme. Sie dürfen es nicht erkennen.
Das
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