Der Duft der roten Akazie
der Anblick so vieler grabender, Gold waschender und in Wannen rührender Männer beeindruckend gewesen. Der Lärm hingegen war ohrenbetäubend.
Es waren zu viele Zelte, um sie zu zählen. Einige bestanden nur aus einem mit Seilen zwischen zwei Ästen gespannten Stück Baumwollstoff. Ohne die wenigen Bretterhütten, die dem Ganzen ein wenig den Anschein der Beständigkeit verliehen, hätte Ella sich gut vorstellen können, wie sämtliche Bewohner dieses Tals über Nacht ihre Sachen packten und verschwanden.
An der Hauptstraße war jedes zweite Zelt mit einer Fahne versehen, die es als Laden auswies. »Unterkunft und Verpflegung, 2o Shilling die Woche«, stand auf einem Schild. »Spitzhacken schleifen, sechs Pence das Stück, Haare schneiden und rasieren«, verkündeten andere. Es gab Schmiede, Radmacher, Metzger, Bäcker und Schuster ebenso wie die allgegenwärtigen Kaffeehäuser. Amüsiert bemerkte Ella ein Zelt, das sich als »Leihbücherei für die geistige Erbauung« bezeichnete.
Ein Stück weiter fand gerade eine Auktion statt. »Yankee Charlie, Auktionator«, verhieß eine Aufschrift. Yankee Charlie selbst hatte sich auf einer Teekiste aufgebaut und heizte seinem Publikum ein, um alles von Bettlaken bis hin zu Schaufeln, Pferden, Hüten, Decken und Knöpfen loszuschlagen. Adam hatte ihr erklärt, dass der Warenbestand sich aus der Habe von abgereisten oder bankrotten Schürfern zusammensetzte.
Im Vorbeifahren wandte Ella den Kopf, um das Treiben zu beobachten. Der Auktionator fing ihren Blick auf. »Ich habe genau das Richtige für Sie, Ma’am«, rief er. »Ein Teeservice. Echtes Porzellan. Nur zehn Guineen!«
Adam schnaubte. »Für den Preis kannst du es behalten, Charlie, mein Junge.«
Ella lachte, und Adam zwinkerte ihr zu.
Doch abgesehen von diesem lockeren Moment herrschte eine Anspannung zwischen ihnen, die Ella schon seit dem Aufstehen heute Morgen beschäftigte. Wenn Kittys unablässiges Geplapper nicht gewesen wäre, sie hätten wohl kaum ein halbes Dutzend Worte miteinander gewechselt. Es war, als wäre das Band der Kameradschaft zerrissen, das sie so weit gebracht hatte.
Hinter ihren Schläfen setzten pochende Kopfschmerzen ein, und Ella rieb sich die Augen. Sie sah Adam an und fragte sich, ob sie sich das Gefühl von gestern Nacht nicht nur eingebildet hatte. Er war wie Feuer und Licht gewesen, das sie eingehüllt hatte. Nun, am helllichten Tage, errötete Ella, wenn sie an diesen schwärmerischen Augenblick dachte.
Als sie ihn eingehend musterte, sah sie nur einen fahrenden Händler vor sich, und zudem einen ziemlich bedrückten. Sein Haar war zerzaust, die Bartstoppeln waren zu lang und seine dunklen Augen schmal vor Erschöpfung. Adam hatte eindeutig nichts an sich, was eine wählerische Frau auf romantische Gedanken bringen konnte! Und außerdem, so sagte sie sich aufgeregt, hatte sie Wichtigeres zu erledigen.
Ella betrachtete die britische Flagge, die sich flatternd vom kalten blauen Himmel abhob. Bald, so hielt sie sich vor Augen, würde sie erfahren, wer sie war. Sie würde kein umherirrender namenloser Niemand mehr sein. Mr Gilbert, der Zeremonienmeister, würde ihr helfen. Möglicherweise – Hoffnung keimte in ihr auf – kannte er sie sogar persönlich.
Adam trieb einen Schmied auf, der bereit war, Bess und den Karren unterzustellen, während sie ihre Erledigungen abarbeiteten. Wie Ella vermutet hatte, handelte es sich bei dem Zelt, vor dem eine große Gruppe Männer ungeduldig wartete, um das Lizenzbüro.
»Wie Schafe vor dem Scheren«, höhnte Kitty.
Adam lächelte müde. »Dann werde ich mich wohl ins Getümmel stürzen müssen«, meinte er mit einem Blick auf Ella. »Offenbar hat der Hochkommissar noch nicht mit der Ausgabe der Lizenzen begonnen. Aber er ist sicher irgendwo in der Nähe. Soll ich Sie begleiten und ihn suchen?«
Ella zögerte. In Carlsruhe hatte Adam das Reden übernommen, worauf Lieutenant Moggs ihr die kalte Schulter gezeigt hatte. Vielleicht würde sie ohne ihn ja mehr Glück haben. »Nein«, entgegnete sie mit Nachdruck. »Ich komme allein zurecht.«
Er antwortete nicht, bedachte sie aber mit einem äußerst merkwürdigem Blick.
»Ich bleibe bei dir, Adam«, erbot sich Kitty.
Aber das kam für Adam nicht infrage. »Du gehst mit Mrs Seaton. Wir treffen uns am Karren.«
»Ich will lieber bei dir bleiben«, bettelte Kitty und rückte näher an ihn heran.
»Ich brauche niemanden, der mich beschützt. Und wenn doch, habe ich ja Wolf.« Er lächelte
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