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Der Duft Der Wüstenrose

Der Duft Der Wüstenrose

Titel: Der Duft Der Wüstenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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wirbelte sie um sich herum, der Regen wurde zu Wasserfetzen vor ihren Augen, ihre Schritte zu einem Rhythmus, und sie hörte Martha und Grace klatschen und singen, so unablässig, wie der Regen auf sie niederfiel, so lange, bis sie von einem schwarzen Tier angesprungen wurde und ihr Bewusstsein verlor.
    Als sie wieder zu sich kam, lag sie mit dem Rücken im Schlamm im Hof, Martha und Grace waren bei ihr. Es regnete immer noch, aber Fanny schwitzte und spürte diesen ungeheuren Ziegelstein in ihrem Bauch, der von ihr ausgestoßen werden sollte, der trotz seiner Größe, trotz der Kanten, unablässig vorandrängte. Sie spürte den Drang zu pressen, raus, nur raus, dieses Ding sollte endlich raus. Lieber sterben, als diese wahnsinnigen Qualen auch nur noch eine Minute länger aushalten zu müssen.
    Martha drückte mit beiden Händen und ihrem ganzen Körpergewicht auf ihren Bauch, Grace stand hinter ihrem Kopf, ihre Hände in Fannys Kniekehlen, und so zerrte sie ihre Schenkel weit auseinander, dass Fanny dachte, sie müssten gleich abgerissen sein. Und obwohl sie jetzt wirklich sterben wollte, presste sie ein letztes Mal mit aller Kraft diesen Ziegelstein aus ihrem Körper. Etwas in ihr spannte unerträglich, dann ergab sich ihr Schoß und schaffte den Platz für ihr Kind. Ihr Kind.
    Nur einen Lidschlag später hörte Fanny ein leises Wimmern durch den Regen, unendlich zart. Grace hatte ihre Beine losgelassen und war um sie herumgelaufen. »Es lebt«, rief sie.
    Doch Martha drückte weiter auf Fannys Bauch. »Da muss noch die Nachgeburt raus, los, press noch einmal, so fest du kannst.«
    »Ich kann nicht mehr, ich will mein Kind sehen«, flüsterte Fanny.
    »Los, los!«, kommandierte Martha unerbittlich, und Fanny hatte nicht mehr die Kraft, sich zu widersetzen.
    Endlich war Martha zufrieden, sie rief nach Kajumba, die sofort mit heißem Wasser und einer Schere angerannt kam.
    »Mach endlich, Martha, mach, schneid es ab, ich will ihn sehen.« Fanny versuchte sich aufzurichten, aber ihr wurde sofort schwindelig. Ihr Kopf sank zurück in den Schlamm, der sich angenehm kühl mit ihrem Haar vermischte. Ludwig und Maria wären entsetzt, wenn sie das hier gesehen hätten. Gebärt wie eine räudige Katze auf dem Dreck im Hof, hätte Maria gesagt, da war Fanny sicher.
    »Los, gib ihn mir endlich!«
    »Ihn?« Martha grinste und wechselte einen Blick mit Grace.
    »Was ist los? Stimmt etwas nicht mit ihm?«
    »Nein, aber – es ist ein Mädchen, ein sehr hübsches.«
    »Ein Mädchen?« Aber das war unmöglich, all dieser Schmerz für ein Mädchen, Ludwig würde so enttäuscht sein. Fanny streckte die Arme aus, damit sie ihr die Kleine endlich gäben. Grace und Martha starrten sich an, dann zuckten sie mit den Schultern und legten ihr das Kind in den Arm.
    »Nein!«, rief Fanny aus und sah zu den beiden. »Nein! Das ist nicht mein Kind! Ihr Hexen habt es ausgetauscht, ihr habt mir diese Wurzeln gegeben, um mich zu berauschen, und jetzt habt ihr mir das falsche Kind untergejubelt!«
    In diesem Moment quäkte die Kleine und öffnete ihre riesigen Augen, hellblaue Augen, so hellblau wie die von Ludwig. Fanny stockte der Atem, und dann begann sie zu schluchzen. Sie fühlte, wie in ihrer Brust alles ganz weich wurde. Das hier war ihre Tochter, und sie würde sie beschützen, sie würde sie lieben und sie gegen die ganze Welt verteidigen.
    Sie versuchte den strömenden Regen von der Kleinen abzuhalten und betrachtete sie genauer. Sie war so schön, ihr winziges Näschen, dieser scharf geschwungene rosa Mund, ihr gekräuseltes schwarzes Haar. Ihre Haut war noch verschmiert, aber makellos. So makellos braun und dunkel wie Stollwercks Kolonialschokolade.

23
    S tunden später lag Fanny vollkommen erschöpft und gleichzeitig hellwach in ihrem Bett. Martha und Grace hatten sie gewaschen und ihr eine Suppe gekocht. Außerdem hatten sie ihr mit den Blättern aus dem Beutel von John einen Tee zubereitet.
    Fannys Gedanken überschlugen sich, während sie ihre wunderschöne Tochter im Arm hielt.
    Sie war verhext. Sie hatte geträumt, sie bekäme eine farbige Tochter, und hier lag sie nun wirklich, und Fanny betrachtete dieses kleine Wunder im Kerzenlicht.
    Warum sah ihre Tochter nicht aus wie Ludwig, warum war ihre Haut nicht weiß? Sie hatte John erst geküsst, als sie schon schwanger war, und sonst war sie Ludwig treu gewesen.
    Dauernd musste sie daran denken, was Ludwig tun würde, wenn er statt seines weißen Sohnes eine schwarze Tochter

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