Der Duft Der Wüstenrose
verstand sich selbst immer weniger. Gestern hatte sie beim Anblick ihrer Tochter noch den Wunsch gehabt, sie wie eine Löwin zu verteidigen, aber heute hätte sie Zahaboo ihre Tochter sofort verkauft, nur um in Ruhe schlafen zu können.
Als Lottchen satt war, brachte Zahaboo Fanny und das Kind unter das provisorische Sonnendach. Sie hatte eine Rinderhaut auf dem sandigen Boden ausgebreitet und forderte Fanny auf zu schlafen. Sie legte sich hin und schlief auf der Stelle ein.
Viel zu früh weckte Zahaboo sie wieder und hielt ihr das weinende Kind hin. Fanny fühlte sich etwas besser und schaffte es diesmal ohne Hilfe, ihre Tochter anzulegen. Aber sie fand es schmerzhaft und lästig und wünschte sich, sie wäre allein. Gleichzeitig schämte sie sich. Während ihrer Schwangerschaft hatte sie ihren Bauch gestreichelt und sich dabei vorgestellt, wie sie den Hunger ihres Sohnes mit Freude stillen, wie er frisch gebadet und fröhlich glucksend auf ihrem Arm liegen und allein sein Anblick sie mit allem Glück der Erde erfüllen würde.
Und jetzt fühlte sie nichts dergleichen. Sie war müde vom Schmerz und klebrig von Hitze und Dreck. Tränen schossen in ihre Augen und tropften auf ihre Tochter. Unwillkürlich drückte sie die Kleine fester an sich. Mit diesem Selbstmitleid musste Schluss sein, denn wenn sie ihre Tochter nicht lieben konnte, dann würde sie das gleiche Schicksal ereilen wie sie selbst. Es käme ihr wie ein Sieg von Ludwig vor, und das durfte nicht sein. Auf keinen Fall.
Der Gedanke an Ludwig brachte etwas in ihr in Gang. Ließ ihr Herz schneller schlagen. Dafür würde er bezahlen. Meine Rache wird grausamer sein als alles, was du je in diesem Internat erlebt hast, schwor sie sich.
Dazu musste sie gesund werden, dann brauchte sie einen Plan und vor allem Geld.
Zahaboo reichte ihr den Wasserschlauch und eine Kalebasse voll Omeire und nahm ihr die satte Kleine ab. Ich muss einen Namen finden, der besser zu ihr passt als Charlotte, dachte Fanny, irgendwie ist sie viel zu klein und zu schwarz für Charlotte.
Zahaboo stand mit der Kleinen auf und schwang sie schaukelnd hin und her, während sie ihr fremdartige Lieder vorsang, was Fannys Tochter zu gefallen schien, denn sie wurde endlich ruhig und schlief ein.
Fanny trank abwechselnd Wasser und Omeire. Ihr Blick fiel dabei auf ihr blutbesudeltes, dreckstarrendes Nachthemd, immer noch das gleiche, in dem sie vor Ludwig ge flohen war. Aber selbst wenn ich Wasser hätte, dachte Fanny, wäre ich zu müde zum Waschen.
Zahaboo legte Lotte neben Fanny auf die Tierhaut und machte sich dann daran, Fannys Fuß zu begutachten. Dabei schüttelte sie ihren imposanten Kopf und flüsterte vor sich hin. Jetzt erst bemerkte Fanny, dass ihr Fuß mit Stofffetzen umwickelt worden war. Nun kamen darunter weiße Paste und Blätter zum Vorschein.
Zahaboo wedelte mit einem Gnuschwanz über Fannys Fuß, roch daran und wedelte wieder. Dann zog sie aus einem Beutel, den sie um ihren Hals trug, Blätter hervor, zerkaute sie und legte sie auf den Biss. Fasziniert sah Fanny ihr dabei zu und überlegte, was das wohl für Blätter waren. Als die Masse ihren geschwollenen Fuß berührte, empfand sie den Brei als wunderbar kalt und beruhigend. Sie seufzte unwillkürlich und fühlte sich plötzlich so viel besser, dass sie sich aufsetzen und die Landschaft genauer betrachten wollte. Sie war sicher, dass sie wirklich noch nie hier gewesen war.
»Wo sind wir?«, fragte sie Zahaboo.
Johns Mutter sah sie aus ihren großen schwarzen Murmelaugen fragend an. Fanny deutete mit der ausgestreckten Hand auf das Land und wiederholte: »Wo?«
»Und Sie gehen mit mir in die Wüste.« Zahaboo zeigte weiter nach Westen.
»John?«, fragte Fanny hoffnungsvoll.
Zahaboo schüttelte energisch ihren Kopf, was alle goldenen Armbänder und Ohrringe zum Klingeln brachte. »Und inkosana arbeiten, und Sie sollen ihn nicht sehen.«
»Wo arbeitet John?«
Zahaboo baute sich in ihrem hellgelben, weiten Hemdkleid vor Fanny auf und starrte sie so durchdringend an, dass sie unwillkürlich zurückzuckte. »Und ich spreche nur wenig Deutsch. Und nur weil Dumisani sagt, helfen sie umama .« Zahaboo schüttelte den Kopf und stöhnte, als hätte ihr Sohn damit eine schreckliche Last auf ihre Schultern geladen. Sie zeigte auf das Glasperlenarmband an Fannys linkem Arm.
»Fluchhexen.« Sie tippte sich auf ihre Brust. »Inyanga.« Dann stach sie sich einen imaginären Speer in ihre Brust und fügte hinzu: »Bulala
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