Der Duft Der Wüstenrose
Tochter. Und obwohl sie nicht die leiseste Ahnung hatte, was das alles zu bedeuten hatte, spürte sie, dass sie keine Angst zu haben brauchte.
27
S ehr weit entferntes Pferdegetrappel weckte Fanny am nächsten Morgen. Als ihr klar wurde, welche Gefahr Pferdegeräusche bedeuten konnten, richtete sie sich ruckartig auf, rieb sich die Augen und sah sich hektisch um.
In einiger Entfernung leuchteten die Blüten der Wüstenrose, neben ihr lag Lottchen und schlief mit dem Daumen im Mund.
Vom Horizont näherte sich ein Reiter. Panisch sah sich Fanny nach Zahaboo um, konnte sie aber nirgends entdecken. Sie rappelte sich hoch und stand wackelig auf den Beinen, obwohl sie den verwundeten Fuß endlich wieder belasten konnte.
Der Reiter wurde ständig größer, kam also näher. Plötzlich wurde ihr klar, dass es nicht Ludwig sein konnte, denn er würde sich niemals allein in die Wüste trauen. Immer wieder hatte er sich aufgeregt über die Wahnsinnigen, die alleine in die Wüste zogen, um das sagenumwobene Hottentottenparadies mit den Goldschätzen zu finden, und dann kläglich starben, entweder an Giftpfeilen der Buschleute oder am Durst. Dieses Risiko würde er niemals eingehen, er hätte Führer dabei und jede Menge Diener.
Was war hier los, warum war Zahaboo verschwunden? Fanny fasste instinktiv an ihr Perlenarmband, aber es war nicht mehr da.
Fassungslos betrachtete sie ihren linken Arm, der ihr grauenhaft nackt vorkam. Hatte sie sich wirklich von dem einzigen Besitz getrennt, der ihrem Leben bisher einen Sinn gegeben hatte? Von dem Band, das sie mit ihrer Vergangenheit verknüpfte und das sie in die Zukunft hätte führen sollen? Sie zwang sich dazu, ruhig zu bleiben, denn wie ihr mit einem Mal klar wurde, stimmte das gar nicht mehr. Alles hatte sich geändert.
Sie bückte sich zu Lottchen und nahm sie auf ihren Arm.
Was für ein Unsinn, sie war nicht nackt, sie war reicher denn je zuvor, ihre Tochter war wärmer und wichtiger, als es ein Glasperlenarmband jemals sein konnte. Und sie würde dafür sorgen, dass ihre Tochter sich niemals an schillernde, aber tote Perlen klammern musste, um ihr Leben durchzustehen.
Ich werde für dich da sein, versprach Fanny, ich werde da sein, und zusammen werden wir das schaffen. Sie drückte einen Kuss auf Lottchens Stirn. »Mein kleiner Morgenstern, mein Ikhwezi .«
Sie legte ihre Tochter wieder auf das Lager, und erst jetzt bemerkte sie, dass sie das hellgelbe Gewand von Zahaboo trug und nicht mehr ihr blutiges und dreckstarrendes Nachthemd. Hatte sie so tief geschlafen, dass man ihr andere Kleider hatte anziehen können, ohne dass sie davon aufwachte?
Dann fiel ihr wieder Zahaboos Tanzen und Klatschen ein, nachdem Fanny an der Wüstenrose gerochen und von dem Duft erzählt hatte. Wenn sie sich doch nur einen Reim auf das alles machen könnte.
Sie sah zu den rosaweißen Blüten und dann wieder hin zu dem Reiter, der rasend schnell näher kam. Nun endlich erkannte Fanny, wer da auf dem Pferd wie ein Besessener zu ihr hinritt, und sie freute sich unbändig.
Es war John. Kam er wegen ihr oder wegen seiner Mutter? Und woher hatte er gewusst, wo er sie finden würde? Sie beantwortete sich die Frage mit einem Lächeln selbst: Sein Zulu-Bein hatte es ihm verraten. Außerdem wusste er von der Wüstenrose.
Ihre Beine begannen zu zittern, sie setzte sich neben ihre Tochter und fragte sich, wie sie John Lottchens Hautfarbe erklären sollte. Dann schalt sie sich für ihre Naivität: Es war höchst unwahrscheinlich, dass er sich überhaupt noch für sie, geschweige denn ihre Tochter, interessieren würde, schließlich hatte sie ihn in der Nacht neulich sehr ausdrücklich abgewiesen.
Trotzdem gab es tief in ihr noch ein wenig Hoffnung, denn immerhin hatte Zahaboo gesagt, ihr Sohn hätte sie zu Fanny geschickt. Vielleicht hatte sie Johns Mutter in dieser entsetzlichen Nacht aber auch nur falsch verstanden.
Nun konnte sie schon Johns Gesicht sehen, grimmig starrte er zu ihr hin, ganz und gar nicht wie ein Mann mit romantischen Absichten. Ihre letzten Hoffnungen schmolzen dahin.
Nachdem er bei ihr angekommen war, zügelte er sein Pferd und trabte an den Karren heran, auf dem Fanny saß.
»Ich bringe keine guten Nachrichten. Ludwig ist hinter dir her. Er bezahlt einen Haufen Söldner dafür, dass sie dich zurückbringen und das Kind töten. Üble Kerle, die ihre Schlagkraft jedem vermieten, der zahlen kann. Du musst hier sofort weg, am besten ganz weg aus Deutsch-Südwest – und zwar
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