Der Duft Der Wüstenrose
neugeborene Tochter erbärmlich weinte und Gott so weit entfernt und so gleichgültig war wie die Sterne, die über ihrem Kopf hell und gleißend schimmerten wie Diamanten.
»Auf dich hoffen wir allein; lass uns nicht verloren sein …« Fanny war bei der elften Strophe angekommen, und erst jetzt bemerkte sie neben dem etwas leiser gewordenen Weinen ihrer Tochter ein Geräusch. Leise Geräusche. Rascheln und Huschen.
Fanny hielt den Atem an, um besser hören zu können. Das konnten unmöglich Menschen sein. Ochsenkarren oder Pferdegetrappel hätte sie schon von Weitem hören müssen.
Wenn das keine Menschen waren, was war es dann?
Tiere. Ratten und Füchse bewegten sich nahezu geräuschlos.
Und Hyänen.
Fanny begann zu zittern, sie konnte selbst das metallisch-süßliche Blut riechen, das immer noch aus ihr heraussickerte.
Da war das Geräusch wieder, näher. Fanny presste ihre Tochter fest an sich. »Bitte sei still, sei in Gottes Namen still«, flüsterte sie und konzentrierte sich auf das, was sie tun könnte. Auf dem Karren lag das Gewehr, das ihr Zach gebracht hatte. Großartig, wirklich klug von dir, dachte Fanny und versuchte aufzustehen. Doch sie zitterte so stark, dass sie es nicht einmal schaffte, hoch bis auf die Knie zu kommen. Ihre Tochter hatte endlich aufgehört zu weinen. Angestrengt lauschte Fanny in die Nacht.
Da war es wieder, seltsam schleifend.
Hyänen jagten für gewöhnlich in der Ebene, das hatte ihr John in der Nacht erzählt, als das Rad gebrochen war. Und als sie vorgeschlagen hatte, zu den Felsen zurückzukehren, hatte er nur gelacht und gemeint, dass ihnen die auch keine Mühe machten.
Feuer wäre eine Lösung, Feuer würde sie abschrecken. Aber die Zündhölzer hatte sie ebenfalls im Wagen gelassen, als sie krank vor Sorge hochgeklettert war, nur um dann die harmlosen Giraffen zu entdecken. Dieses Land verzieh einem nie, wenn man unbedacht handelte.
Es gab keine andere Möglichkeit, sie musste runter zum Wagen.
Plötzlich schob sich eine gelbe Wand vor sie. Fanny zuckte zurück und presste sich mit der Kleinen so fest an den Felsen, dass die Schmerzstiche in ihrem Rücken bis in ihre Brust gedrückt wurden.
»Lala Khale« , sagte eine dunkle, aber ganz offensichtlich weibliche Stimme, »Lala kahle, kulungile.« Die gelbe Wand bückte sich zu Fanny. Hunderte von Goldreifen blitzten dabei im Licht der Sterne auf und klirrten leise, dann sah Fanny die riesigen, ebenfalls goldenen Ohrringe der Frau.
»Zahaboo«, stotterte sie und wollte ihr so gern alles erklären, sie um Hilfe bitten, verhindern, dass sie wegging, aber es kam nichts aus ihrer Kehle als ein heiseres Krächzen. Ihre Augen brannten.
Fanny hob ihre Tochter hoch und hielt sie Zahaboo entgegen wie eine Opfergabe. Im gleichen Augenblick wurde ihr klar, dass sie einen Fehler machte, denn Zahaboo wusste sicher, dass dieses Kind nicht Johns Tochter sein konnte. Und warum sollte sie dann Interesse an ihr haben?
»Bitte«, brachte Fanny endlich hervor, »bitte hilf mir.«
Zahaboo nahm das Kind auf den Arm, murmelte etwas vor sich hin, das Fanny nicht verstand, dann band sie sich das Kind mit der Schärpe, die an ihr langes Hemdkleid genäht war, fest auf die Brust und verschwand.
»Nein!« Fanny schrie mit letzter Kraft. »Nein, so habe ich das nicht gemeint.«
Doch die gelbe Wand entfernte sich schnell und geräuschlos. Fanny versuchte wieder aufzustehen, aber es war unmöglich. Sie schloss die Augen. Wenn ich jetzt sterbe, dachte sie, dann wird auch meine Tochter niemals erfahren, wer ihre Mutter war, obwohl ich doch alles versucht habe, um sie vor diesem Schicksal zu beschützen. Sie tastete nach ihren Glasperlen, dann fielen ihr die Augen zu.
Jemand berührte sacht ihre Schulter. » Amanzi , Wasser«, flüsterte Zahaboo und reichte Fanny den Wasserschlauch. Sie half ihr und stützte sie. Fannys Kehle war so trocken, ihre Zunge so geschwollen, dass sie die ersten Tropfen kaum hinunterschlucken konnte, doch dann rann das warme Wasser durch ihre Kehle, und sie trank so schnell, dass ihr die Luft wegblieb.
Zahaboo nahm ihr den Schlauch weg und sprach eindringlich auf sie ein. »Sie müssen hier weg. Und ich werde Sie helfen und Medizin geben!«
Zahaboo reichte ihr eine Wurzel, bedeutete ihr, darauf herumzukauen, und Fanny gehorchte ohne Zögern. Wirre Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Was hatte John in der Nacht damals erzählt von dem schönen Mädchen, Isimomo, die von den Geistern beherrscht wurde und der
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