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Der Duft Der Wüstenrose

Der Duft Der Wüstenrose

Titel: Der Duft Der Wüstenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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zu wimmern.
    Fanny suchte sich immer noch schluchzend einen halbwegs bequemen, windgeschützten Platz auf dem warmen Felsen, lehnte sich zurück und legte ihre Tochter an die Brust. Sie konnte die Kleine kaum festhalten, ihr ganzer Körper zitterte, während ihr die Tränen übers Gesicht liefen.
    Sie versuchte, sich zu beherrschen. Tränen änderten nichts an ihrer aussichtslosen Lage, sie sollte lieber nach denken. Fanny rang um Fassung, sah hinunter auf ihre Tochter, die in diesem Moment den Mund von ihrer Brust nahm und Fanny das Gesicht zuwandte.
    Ihre blauen Augen waren weit offen und schienen sie zu betrachten, auf dem winzigen rosa Mund schimmerte ein Tropfen Milch in der Abendsonne, und dann, ganz unvermittelt, verzog sich der Mund ihrer Tochter, ganz so, als ob sie lächeln würde.
    Fanny lächelte unter Aufbietung all ihrer Kräfte zurück, dann weinte sie so hemmungslos wie noch nie in ihrem Leben. Nicht in den kältesten Stunden im Kloster war ihre Lage so hoffnungslos gewesen wie jetzt. Da hatte sie lediglich aus Selbstmitleid geweint, aber nun ging es nicht mehr nur um sie, sondern um dieses winzige Wesen, das ihre Tochter war und sie dringend brauchte.
    Fanny war am Ende, und sie wusste es. Sie würde nirgends mehr hingehen. Sie würde hier sitzen bleiben, nie wieder aufstehen, sie würde sterben. Fanny schloss ihre Augen. Ich bin bereit, dachte sie. Ihr Glasperlenarmband wurde so heiß, dass sie die Augen wieder öffnete und ihre Tochter ansah.
    Dieser Irrsinn musste sofort aufhören. Es war unmöglich zu sterben, dann würde ihre Tochter genauso allein wie sie selbst sein. Sie betrachtete ihre Perlen und dachte daran, sie ihrer Tochter anzuziehen, für den Fall, dass man sie lebend neben ihrer toten Mutter finden würde. Schluss jetzt, Fanny, Schluss. Du wirst nicht sterben und deine Toch ter so zurücklassen, wie man dich damals vor dem Kloster zurückließ. Du reißt dich zusammen, kletterst herunter, gehst zu dem Wagen und bereitest euch ein Nachtlager zwischen den Felsblöcken. Los!
    Ja, das würde sie tun, gleich, zuerst musste sie nur ein bisschen schlafen, ganz egal, wie heiß ihre Perlen auch würden. Nur einen winzigen Moment … Ihre Augen schlossen sich, ihr Kopf fiel hart gegen den Felsen, aber das merkte Fanny schon nicht mehr, denn sie war ohnmächtig geworden.

25
    E in schrilles Weinen brachte Fanny wieder zu sich. Der Wind hatte sich gelegt, ohne dass auch nur ein Tropfen Wasser vom Himmel gefallen war. Über ihr schillerten die Sterne.
    Orientierungslos sah sie sich in der Dunkelheit um, dieses hoffnungslose Gejammer kam von ihrem Bauch. Und erst als ihre Hände danach tasteten, fiel ihr alles wieder ein, und sie schämte sich, weil sie die Existenz ihres Kindes völlig vergessen hatte.
    Sie wollte die Kleine aus dem Laken auf ihren Arm nehmen, aber Fannys Körper war so steif geworden, dass sie kaum den Arm heben konnte, und bei jedem Atemzug stach es tief in ihrem Rücken. Deshalb dauerte es unendlich lange, bis sie es geschafft hatte, die Kleine an sich zu drücken. Sie schaukelte sie ein wenig, aber ihre Tochter schrie nur noch lauter. Hunger, sie hatte wahrscheinlich Hunger. Fanny legte sie an ihre Brust, aber das wollte ihre Tochter auch nicht, stattdessen schrie sie noch wütender. Fanny versuchte es wieder, aber ohne Erfolg.
    Was, um Himmels willen, hatte die Kleine?
    Plötzlich sah Fanny Ludwig vor sich, wie er das winzige Bündel mit dem Neugeborenen auf das Bett geschleudert hatte. Was, wenn ihrer Tochter dabei doch etwas passiert war und sie innere Verletzungen hatte? Der Gedanke, sie könnte die gleichen Schmerzen haben wie sie selbst oder noch schlimmere, brachte Fannys Herz zum Rasen. Purer Hass durchströmte ihren Körper wie eine Welle von Energie. Sie würde es Ludwig heimzahlen, sie würde ihn so leiden lassen, wie er es sich in seinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können. Sie drückte ihre Tochter an sich.
    »Schsch, kleines Lottchen, wir werden das schaffen, wir müssen stark sein.« Was für einen Unsinn sie da von sich gab, Fanny hatte keine Ahnung, wie sie den morgigen Tag überstehen sollten, denn um an ihren Wasserschlauch zu kommen, müsste sie erst mal von den Felsen herabsteigen, und Fanny konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie jemals wieder aufstehen würde.
    Weil sie nicht wusste, was sie noch tun könnte, begann sie ein Lied zu singen. Ihr fiel nichts anderes ein als »Großer Gott, wir loben dich«, obwohl ihre

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